Physik23.07.2025
Forschende entwickeln intelligentes Material zur Energiegewinnung und für selbstversorgende Elektronikgeräte
Wir sind ständig umgeben von elektromagnetischem Rauschen – erzeugt von Mobiltelefonen, WLAN-Routern, Stromleitungen oder natürlichen Quellen. Im Allgemeinen wird dieses Rauschen als nutzlose Störung oder sogar als gefährlich empfunden. Ein Forschungsteam der Universität Freiburg hat nun ein Material entdeckt, mit dem dieses Rauschen sehr effizient in elektrische Signale und Ströme umgewandelt werden kann, die wiederum batterielose Elektrogeräte, Lichtquellen oder mechanische Antriebe mit Strom versorgen können.
Stellen Sie sich ein Gerät vor, das auch dann noch Daten überwacht und speichert, wenn sämtliche konventionellen Stromquellen ausfallen. Eine solche Unabhängigkeit könnte beispielsweise im Weltall, in Katastrophengebieten oder für kritische Infrastrukturen von entscheidender Bedeutung sein: «Wir hatten nicht erwartet, dass eine solche Stromspannung entstehen und so stabil und reproduzierbar sein würde», sagt Co-Studienautor Subhrangsu Sarkar, Postdoc im Departement für Physik und im Fribourg Center for Nanomaterials.
Das entwickelte Material basiert auf mehreren dünnen Folienschichten aus supraleitenden Cupraten und magnetischen Manganiten. Bei Kühlung auf unter 120 Kelvin (–153 °C) beginnt das System, eine spontane Gleichspannung von bis zu mehreren Dutzend Millivolt zu generieren. Diese Spannung ist stark genug, um Strom durch einen externen Stromkreis zu leiten und so elektromagnetische Schwankungen in nutzbare elektrische Energie umzuwandeln: «Obwohl es keine Batterie, kein Licht und keinen Temperaturgradienten gibt, können wir einen stetigen Stromfluss messen», sagt Subhrangsu Sarkar. «Das ist ein erstaunliches Ergebnis.»
Ein robuster, passiver Effekt
Im Gegensatz zu ähnlichen Phänomenen, die in manchen konventionellen Supraleitern zu beobachten sind, stellt sich dieser Effekt auch ohne Magnetfeld ein und hält in einem breiten Temperaturbereich an. Die Forschenden führen dies auf konkurrierende elektronische Ordnungen zurück, die ein komplexes Energieumfeld mit einer asymmetrischen, ratschenartigen Struktur erzeugen: Ladungsträger, die vom Umgebungsrauschen angeregt werden, wandern hier in eine bestimmte Richtung und generieren dabei einen Nettostromfluss – ähnlich einer mechanischen Ratsche, die nur Bewegungen in eine Richtung zulässt.
Mögliche Anwendungen
Das Team stellt sich Anwendungen wie selbstversorgende Sensoren, Speicherelemente und Energiegewinnungsgeräte vor. Diese könnten unter moderaten kryogenen Bedingungen betrieben werden, wie sie sich leicht mit flüssigem Stickstoff erzeugen lassen. Die spontane Spannung zeigt auch reproduzierbare Schalt- und Speichereffekte und ist dadurch ein vielversprechender Ansatz für multifunktionale Komponenten, die auf elektrische oder magnetische Felder ansprechen: «Dadurch eröffnen sich Möglichkeiten für die Entwicklung von Datenerfassungs- und -speichergeräten, die nicht auf eine externe Stromversorgung angewiesen sind», erklärt Prof. Christian Bernhard von der Universität Freiburg. «Dies könnte sich beispielsweise bei Raumfahrtmissionen, Quantencomputern und sonstigen Konfigurationen mit begrenzter Stromversorgung als nützlich erweisen.»
Ein Schritt in Richtung selbstversorgende Elektronik
Die Studie zeigt, dass komplexe Oxid-Heterostrukturen nicht nur als passive Komponenten, sondern auch als aktive Energiewandler fungieren können. Im Zuge der weiteren Entwicklung könnten solche Systeme einen Beitrag leisten im wachsenden Bereich der von herkömmlichen Stromquellen unabhängigen Elektronik.
Studie
Soulier, M., Sengupta, S., Pashkevich, Y.G. et al. Spontaneous voltage and persistent electric current from rectification of electronic noise in cuprate/manganite heterostructures. Nat Commun 16, 5900 (2025).
Bild «Electromagnetic Waves» von upklyak auf Freepik