Recherche – Alma & Georges /alma-georges Le magazine web de l'Université de Fribourg Mon, 05 May 2025 11:19:50 +0000 fr-FR hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.3.5 Mehr als zwei Kategorien – Was wir über Geschlecht neu lernen müssen /alma-georges/articles/2025/mehr-als-zwei-kategorien-was-wir-ueber-geschlecht-neu-lernen-muessen /alma-georges/articles/2025/mehr-als-zwei-kategorien-was-wir-ueber-geschlecht-neu-lernen-muessen#respond Wed, 16 Apr 2025 11:12:34 +0000 /alma-georges?p=22230 Viele Menschen wachsen mit dem Glauben auf, es gäbe nur zwei biologische Geschlechter. Doch die Forschung von Prof. Anna Lauber-Biason zeigt: Die Realität ist vielschichtiger. In diesem Audio-Beitrag erzählt sie unter anderem, wie die Wissenschaft dazu beitragen kann, Menschen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung besser zu verstehen – und zu respektieren.

Zum Podcast:

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Mit Familiengeschichten gegen das Narrativ vom heroischen Widerstand /alma-georges/articles/2025/mit-familiengeschichten-gegen-das-narrativ-vom-heroischen-widerstand /alma-georges/articles/2025/mit-familiengeschichten-gegen-das-narrativ-vom-heroischen-widerstand#respond Fri, 14 Feb 2025 16:18:31 +0000 /alma-georges?p=21995 Erinnerungskulturelle Familienromane sind ein gutes Medium, um gesellschaftliche und historische Themen zu vermitteln. Germanistin Emily Eder zeigt in ihrem Buch auf, welches Bild von der Schweiz im Zweiten Weltkrieg in der zeitgenössischen Deutschschweizer Literatur gezeichnet wird.

«Es wird hinterfragt, infrage gestellt. Kann das wirklich so gewesen sein? Wie kann es sein, dass die offizielle Darstellung nicht mit dem übereinstimmt, was sie erlebt haben?» So beschreibt Emily Eder die Herangehensweise der drei Autoren Christoph Geiser, Thomas Hürlimann und Urs Widmer, deren Werke sie für ihre Dissertation analysiert hat. Sie setzte sich mit der Frage auseinander, wie in erinnerungskulturellen Familienromanen die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg dargestellt wird.

«In Deutschland und in Österreich ist das ein grosses Forschungsfeld. Viele Autor_innen haben über das geschrieben, was sie an Unterlagen bei ihren Eltern und Grosseltern auf dem Dachboden gefunden haben. Es gibt daher sehr oft einen autobiografischen Bezug. Das hat mich neugierig gemacht zu schauen, wie es in der Schweiz aussieht», erklärt die in Köln aufgewachsene Eder, wie sie auf die Idee für das Thema kam. Denn die Schweiz stellte im Kontext dieser Forschung einen blinden Fleck dar. «Also habe ich angefangen, viel zu lesen und dabei festgestellt, dass der Zweite Weltkrieg auch in der Deutschschweizer Literatur ein Thema ist. Es ist letztendlich nicht überraschend, denn weder die Schweiz noch ihre Literatur sind losgelöst vom europäischen Kontext.»

Besonders interessant sind Geiser, Hürlimann und Widmer vor dem Hintergrund, dass ihre Werke mehrheitlich in die Zeit fallen, in der das Narrativ vom heroischen Widerstand, das die offizielle Schweiz lange Zeit aufrechterhielt, zu bröckeln begann. Eine Zeit, in der die 1996 vom Bundesrat eingesetzte «Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg» genauer hinschaute.

Kritik in verschiedenen Formen
Welches Bild der Schweiz zeichnen Geiser, Hürlimann und Widmer? «Kein einheitliches. Aber alle hinterfragen auf ihre eigene Art, in ihrem spezifischen Kontext, das Narrativ vom heroischen Widerstand.». Urs Widmer etwa beschreibt im 2004 erschienenen Roman «Das Buch des Vaters» aus der Perspektive eines Kindes ­– es handelt sich dabei um ihn selbst als kleinen Jungen –, wie sein Vater eingezogen wurde und wie er die Réduit-Strategie wahrgenommen hat. «Es ist alles literarisiert und fiktionalisiert, entsprechend schwierig ist zu beurteilen, wie weit sich die geschilderte Szene wirklich so abgespielt hat», sagt Eder. «Aber die Kritik wird in einer besonders eindrucksvollen Passage deutlich, weil nicht klar wird, ob der erzählende Sohn die Gedanken des Vaters wiedergibt oder ob er selbst diese kommentiert. Beide Lesarten sind möglich. Er stellt sinngemäss die Fragen: Wie hätten die Soldaten im Réduit die Schweiz verteidigen können? Und was sollte dann mit allen anderen Personen in der Schweiz geschehen?»

Thomas Hürlimann, der selbst entfernt jüdische Vorfahren hat, zeigt seinerseits wiederholt auf, wie jüdisches Leben in der Schweiz aussah. Etwa im 2006 erschienen Roman «Vierzig Rosen». «Dort gibt es das Tagebuch der Mutterfigur, das zumindest an das Tagebuch von Anne Frank erinnert, wenn nicht daran angelehnt ist. Es wird dargestellt, dass jüdische Menschen von der Schweizer Bevölkerung teilweise feindlich behandelt wurden.»

Christoph Geiser wiederum setzt sich in erster Linie kritisch mit der bürgerlichen Schicht auseinander. «Wichtiger Bezugspunkt ist sein Grossvater Hans Frölicher, der während des Zweiten Weltkriegs Diplomat in Berlin war und von der offiziellen Schweiz später als Sündenbock dargestellt wurde, weil er die Schweiz aus eigenem Antrieb zu deutschlandfreundlich vertreten habe. Vereinfacht müsste man rückblickend sagen, ihn als Sündenbock zu instrumentalisieren ist sicher nicht richtig, ein vorbildlicher Diplomat war er jedoch auch nicht.» Geiser kannte seinen Grossvater, und auch die Dokumente, die er von seiner Mutter erhielt, zeichneten ein differenziertes Bild. «Das ist etwas, was alle drei Autoren machen: Sie stellen dem historischen Ganzen ein Privatleben gegenüber, geben Einblicke in Alltagssituationen. Sie ergänzen somit die historische Perspektive.»

Der Familienroman hat mehrere Stärken
Das ist für Emily Eder genau die Stärke des Familienromans, wenn es um die Vermittlung relevanter gesellschaftlicher und historischer Themen geht. «Wir alle stecken in einem familiären Beziehungsgeflecht. Entsprechend haben wir Anhaltspunkte, um an das anzuknüpfen, was uns literarisch vermittelt wird. Dadurch können wir diese Fragen womöglich innerhalb unserer eigenen Familie stellen – bei mir war das der Fall», sagt Eder. «In der Familie kann über verschiedene Generationen Erlebtes weitergegeben werden ­– oder eben gerade nicht. Es kann Tabus geben, fehlende Kommunikation, sodass wir erst nach dem Tod der Eltern oder Grosseltern merken, warum Beziehungen dysfunktional waren. Deshalb sind die Familienromane, gerade wenn sie einen autobiografischen Gehalt haben, sehr aufschlussreich.»

Die drei Autoren nehmen stellenweise die Perspektive ihrer Eltern ein, versuchen, sich in sie hineinzuversetzen, zeigen oft aber auch Generationenkonflikte auf. «Das ist das Potenzial von Literatur. Sie ist ein Medium, das uns erlaubt, etwas über andere Menschen zu lernen. Darüber, was es heisst, überhaupt Mensch zu sein, weil wir in die Gedanken von anderen Menschen schlüpfen können. Aber auch, um in der Zeit zurückzugehen und Einblicke in andere politische Systeme und historische Momente zu erhalten. Das können andere Medien zwar auch, aber über die Literatur verläuft die Auseinandersetzung viel langsamer und persönlicher.»

Der Einfluss von Literatur als Spiegel der Gesellschaft
Wie gross also ist der Einfluss von Literatur auf die Wahrnehmung eines bestimmten Themas in der Gesellschaft? Auf die Geschichtsschreibung oder Geschichtsumschreibung? «Das hängt immer auch davon ab, wie und von wem die Literatur rezipiert wird. Meiner Ansicht nach könnte der Einfluss grösser sein – aber das scheint eine der Herausforderungen der Geisteswissenschaften zu sein.» Emily Eder will ihren Teil dazu beitragen, den gesellschaftlichen Dialog durch Literatur und die Forschung darüber anzukurbeln. Auch deshalb hat sie die Möglichkeit genutzt, ihre Dissertation mit SNF-Geldern als Buch zu publizieren. Nicht ohne Stolz hat sie es vor kurzem in einer grossen Buchhandlung in Bern entdeckt. «Es wird kein Bestseller werden, die meisten Leute lesen vor dem Einschlafen keine Dissertationen», sagt Emily Eder mit einem Schmunzeln. «Aber vielleicht kann ich ein wenig Neugier wecken, womöglich liest jemand Bücher dieser Autoren plötzlich mit einer anderen Brille und macht sich zusätzliche Gedanken. Das wäre bereits ein Gewinn.»

Dr. Emily Eder hat Germanistik, französische Sprache und Literatur sowie Komparatistik an den Universitäten Freiburg und Köln studiert. Heute arbeitet sie als Studiengangskoordinatorin und pädagogische Beraterin in der Abteilung Medizin an der Universität Freiburg. Literatur nimmt in ihrem Leben immer noch einen wichtigen Platz ein, man trifft sie beispielsweise beim Literaturprogramm im Kino Korso.

Das 232-seitige Buch «Der Zweite Weltkrieg in der Deutschschweizer Literatur – Erinnerungskulturelle Familienromane von Christoph Geiser, Thomas Hürlimann und Urs Widmer» ist 2024 im Chronos Verlag erschienen.

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  • E-Book (pdf) kostenlos

 

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Gynäkologie – Warum unser Gesundheitssystem divers denken muss /alma-georges/articles/2025/gynaekologie-warum-unser-gesundheitssystem-divers-denken-muss /alma-georges/articles/2025/gynaekologie-warum-unser-gesundheitssystem-divers-denken-muss#respond Fri, 07 Feb 2025 12:08:26 +0000 /alma-georges?p=21969 Gynäkologische Praxen sind meist nur auf Frauen ausgerichtet – doch auch trans Männer und nicht-binäre Menschen brauchen diese medizinische Versorgung. Nina Schuler zeigt in ihrer Forschung, wie unser Gesundheitssystem diese Menschen oft ausschliesst und welche einfachen Massnahmen helfen könnten, das zu ändern. Für ihre Masterarbeit hat Schuler am Dies Academicus den Genderpreis erhalten.

Was hat Sie dazu motiviert, dieses Thema für Ihre Masterarbeit zu wählen? Gab es einen persönlichen oder gesellschaftlichen Anstoss?
Für mich war von Anfang an klar, dass ich mich einem Thema widmen möchte, welches mich nicht nur intellektuell fordert, sondern auch emotional berührt. Ein Thema, dass mir am Herzen liegt und mit dem ich auch etwas in der Gesellschaft auslösen kann. Geschlechterbasierte Diskriminierung ist leider immer noch Alltag in der Medizin. Umso extremer ist dies sichtbar, wenn Personen nicht den gesellschaftlichen Normen von Frau und Mann entsprechen. Trans Personen werden in der Gynäkologie noch immer stigmatisiert und oft übersehen – sei es durch einen Mangel an spezialisierten Fachärzt_innen oder durch die fehlende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit ihren spezifischen Bedürfnissen. Mit meiner Forschung möchte ich dazu beitragen, dieses Tabu zu brechen, Sichtbarkeit zu schaffen und langfristig eine sensiblere, inklusivere Versorgung zu fördern.

Sie sprechen in Ihrer Arbeit über das binäre und cis-normative System im Gesundheitswesen. Was ist das?
Unser Gesundheitssystem in der Schweiz ist darauf ausgelegt, Menschen als entweder männlich oder weiblich einzuordnen. Das zeigt sich besonders in der Gynäkologie, die ausschliesslich für Frauen gedacht ist. Nicht-binäre Personen oder trans Männer müssen sich diesem System anpassen, um eine Behandlung zu bekommen. Oft bedeutet das, dass sie sich rechtfertigen müssen, damit die Krankenkasse beispielsweise die Kosten übernimmt. In dem aktuellen binären Versicherungssystem existieren nämlich noch immer keine Vorlagen, die es erlauben, eine gynäkologische Behandlung bei einem Mann abzurechnen.

Der Begriff cis-normativ bedeutet, dass es als selbstverständlich angesehen wird, dass alle Menschen sich mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde (also cisgeschlechtlich sind). Ein Beispiel für cis-normative Strukturen sind Formulare, die nur die Optionen «männlich» und«weiblich» anbieten, oder die Annahme, dass alle Frauen einen Uterus haben und alle Männer nicht. Personen, die nicht diesen gesellschaftlichen Vorstellungen von Mann und Frau entsprechen, werden systematisch ausgeschlossen und benachteiligt.

Wie sieht die Diskriminierung von trans Menschen bei der gynäkologischen Versorgung konkret aus? Haben Sie ein paar Beispiele?
Die Diskriminierung von trans Personen findet auf unterschiedlichsten Ebenen statt und betrifft zahlreiche Bereiche der medizinischen Versorgung. Sie beginnt schon vor der eigentlichen Konsultation. Stellen Sie sich vor, Sie sind ein trans Mann (also eine Person, welche bei Geburt das weibliche Geschlecht zugeordnet bekommen hat, sich aber als Mann identifiziert und von der Gesellschaft auch so gelesen wird). Sie haben weibliche Genitalien, nehmen jedoch männliche Hormone. Braucht es also noch gynäkologische Vorsorgeuntersuchungen? Auf der pink gestalteten Homepage der FRAUEN-Klinik gibt es nur Infos zu Vorsorgeuntersuchungen bei cis Frauen. Am Telefon müssen Sie sich erklären und rechtfertigen, wieso Sie als Mann einen Termin in der FRAUEN-Klinik wollen. Zusammen mit vier schwangeren Frauen sitzen Sie dann im ebenfalls rosa gestalteten Wartezimmer. An den Wänden hängen Poster von Weiblichkeit und Kinderwunsch. Die Urinprobe geben Sie auf dem Frauen-WC ab, bevor sie mit FRAU Müller aufgerufen werden und ins Konsultationszimmer gebracht werden. Der Arzt hat scheinbar noch nie mit einer trans Person gearbeitet und fragt Sie deshalb in einer übergriffigen Art und Weise über Ihren «exotischen» Zustand aus. Sie fühlen sich bei dieser Befragung nackter als kurz darauf auf dem Gynäkologiestuhl. Während der Untersuchung plagen Sie enorme Schmerzen und negative Gefühle, auf die nicht eingegangen werden. Mit einem mulmigen Gefühl gehen Sie aus der Praxis, Sie wissen nicht, ob Ihre Versicherung die Untersuchung zahlt, da Sie dort als Mann angemeldet sind.

Welche Rolle spielt die Ausbildung von medizinischem Fachpersonal in der Verbesserung der Versorgung von trans Menschen? Gibt es bereits positive Ansätze?
In diesem Bereich ist noch sehr viel zu tun. Ein fundiertes Fachwissen ist eine wichtige Grundlage für jede Behandlung. Oft ist es gar nicht so einfach, an dieses Fachwissen zu gelangen, da der Fokus in der Forschung aber auch in der Aus- und Weiterbildung von Ärzt_innen anders gesetzt wird. Umso wichtiger ist es also, dass man selbst Initiative und ein gewisses Engagement zeigt, sich fehlendes Wissen anzueignen. Dafür gibt es erfreulicherweise auch schon viele gute Angebote. An der Unifr hatten wir beispielsweise mehrmals Kurse zu diesem Thema und es wurden trans Personen für Gespräche eingeladen. Ausserdem gibt es zahlreiche Events und Kurse, die von diversen Organisationen und Vereine wie TGNS Schweiz durchgeführt werden. Ich glaube, es lohnt sich, mutig zu sein und seinen Horizont zu erweitern sowie mit den Menschen in Kontakt zu treten.

Inwiefern hat die Arbeit an diesem Thema Ihre eigene Perspektive auf Geschlechtsidentität und medizinische Versorgung verändert?
Ich glaube ich sehe die Welt nun mehr in Spektren und nicht mehr in Kategorien. Als Ärztin ist man sich daran gewöhnt, alles in gesund oder krank einzuteilen, in normal oder abnormal. Davon probiere ich mich immer mehr zu distanzieren. Und ich habe gemerkt, dass diese Denkweise auch sehr viele Vorteile für cis Menschen bringt. Es spielt weniger Wertung mit und die Leute fühlen sich mehr gesehen und angenommen.

Sie haben im Rahmen des Dies Academicus 2024 den Genderpreis erhalten. Welche Pläne haben Sie für die Verwendung des Preisgeldes?
Aktuell schreibe ich gerade meine Doktorarbeit in der Medizin, zum gleichen Thema. Das Preisgeld kann ich dort gut gebrauchen. Es wird also direkt wieder in neue Forschung investiert, die gegen geschlechtsbedingte Diskriminierung im Gesundheitswesen vorgehen soll.

Zum Schluss: Welche praktischen Empfehlungen könnten gynäkologische Praxen sofort umsetzen, um trans/nicht-binäre Menschen besser zu unterstützen?
Als erstes sollte einfach ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass trans Personen zum Klientel der Gynäkologie gehören und nicht ausgeschlossen werden dürfen. Dafür lohnt es sich, seine eigenen Vorstellungen von Mann und Frau zu reflektieren. Welche – vielleicht auch unbewusste – Vorurteile hat man in diesem Bereich und wo fehlt es noch an Wissen? Kleine Veränderungen können schon viel bewirken, sei es geschlechtsneutrale Toiletten oder Infobroschüren, die sich nicht ausschliesslich an cis hetero Frauen mit Kinderwunsch richten. Eine inklusivere Auswahl an Pronomen bei Anmeldeformularen oder eine geschlechtsneutralere Gestaltung der Praxis oder Homepage kann ebenfalls helfen. Besonders wichtig finde ich dabei immer, dass man nicht vor dem Thema zurückschreckt. Trans Personen sind keine exotischen Wesen, welche auf eine Spezialbehandlung angewiesen sind und in Watte gepackt werden müssen. Was sie wirklich brauchen, das findet man am einfachsten heraus, wenn man mit diesen Menschen direkt in Kontakt tritt, sei es an einem Event, einer Fortbildung oder im Privatem. Natürlich immer in einem respektvollen und wohlwollendem Rahmen.

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Emotionen und Essanfälle – Diese Studie untersucht, wie sie zusammenhängen /alma-georges/articles/2025/emotionen-und-essanfaelle-diese-studie-untersucht-wie-sie-zusammenhaengen /alma-georges/articles/2025/emotionen-und-essanfaelle-diese-studie-untersucht-wie-sie-zusammenhaengen#respond Fri, 17 Jan 2025 13:34:45 +0000 /alma-georges?p=21919 Warum greifen manche Menschen in stressigen Situationen zu Essen, während andere cool bleiben? Eine neue Studie untersucht, wie Emotionen, Essanfälle und das Arbeitsgedächtnis zusammenhängen. Doktorandin Cindy Heinzmann vom Departement für Psychologie erklärt, worum es geht.

In Ihrer Studie untersuchen Sie den Zusammenhang zwischen Essanfällen, Emotionen und dem Arbeitsgedächtnis. Wie hängen diese Faktoren zusammen, und welche Fragestellungen möchten Sie damit beantworten?
Studien zeigen einen kausalen Zusammenhang zwischen Emotionsregulation (ER) und Essanfällen bei Binge Eating Störung. Es bleibt jedoch unklar, welche Mechanismen für diesen Zusammenhang verantwortlich sind. Aus Laborstudien ist bekannt, dass unser Arbeitsgedächtnis dabei eine zentrale Rolle spielt, indem die Auslastung des Arbeitsgedächtnisses die Fähigkeit, sich in herausfordernden Situationen selbst zu regulieren, beeinflusst. Weiter zeigen diese Untersuchungen, dass eine funktionale (adaptive) Emotionsregulation die Arbeitsgedächtniskapazität erhöht, während maladaptive Emotionsregulationsstrategien diese reduziert. In unserer von Schweizerischen Nationalfonds geförderten Studie untersuchen wir diese Zusammenhänge im Alltag und im Labor bei erwachsenen Personen (18-69 Jahre), die unter einer Binge-Eating-Störung leiden.

Sie rekrutieren Proband_innen mit einer Binge-Eating-Störung (BES). Wie wird BES in der Forschung genau definiert, und welche Kriterien sind dafür ausschlaggebend?
Das Kernmerkmal einer BES stellen objektive Essanfälle dar, wobei betroffene Personen innerhalb von ca. zwei Stunden eine erheblich grössere Nahrungsmenge zu sich nehmen als die meisten Menschen in einem vergleichbaren Zeitraum, unter vergleichbaren Bedingungen. Da die Definition einer «erheblich grössere Nahrungsmenge» Spielraum für subjektive Interpretation lässt, ist der erlebte Kontrollverlust während Essanfällen entscheidend. Das Erleben von Kontrollverlust kommt zudem meist zusammen mit schnellerem Essen, Essen ohne Hunger oder bis zu einem unangenehmen Völlegefühl vor. Nach den Essanfällen treten häufig Scham-, Ekel-, und Schuldgefühle, sowie Deprimiertheit auf, was zu einem Teufelskreis aus negativen Gefühlen und weiteren Essanfällen führt. Im Unterschied zur Bulimia Nervosa fehlen bei BES regelmässige kompensatorische Massnahmen wie Erbrechen oder exzessives Sporttreiben.

Wie leicht oder schwer kann eine Person selbst einschätzen, ob sie von BES betroffen ist oder ob es sich lediglich um gelegentliches Überessen handelt?
Ganz einfach ist diese Einschätzung nicht und im Zweifelsfall sollte dazu eine Fachperson in Klinischer Psychologie hinzugezogen werden. Am besten können wir «Überessen» von einem Essanfall unterscheiden, indem wir uns die Frage stellen, ob wir innerhalb eines bestimmten Zeitraums objektiv oder nur gemäss unserer Einschätzung (subjektiv) viel essen (Mengenkriterium). Weiter ist die Antwort auf die Frage entscheidend, ob wir dabei das Gefühl erleben, dass es nicht nur schwierig ist, weniger zu essen oder das Essen zu unterbrechen, sondern dass wir nicht in der Lage sind, mit dem Essen aufzuhören, bis wir uns unangenehm voll fühlen (Kriterium des Kontrollverlusts). Handelt es sich um einen Essanfall, so werden beide Fragen mit «Ja» beantwortet (objektiv grosse Mengen Essen, kombiniert mit dem Erleben von Kontrollverlust). Hingegen handelt es sich um Überessen, wenn zwar mehr gegessen wird als üblich oder Andere essen würden, aber ohne, dass dabei Kontrollverlust erlebt wird.

In Ihrer Studie induzieren Sie gezielt schlechte Laune. Wie genau wird das durchgeführt, und warum ist dieser Aspekt für Ihre Untersuchung von Bedeutung?
Die Forschung und unter anderem auch Arbeiten aus unserer Arbeitsgruppe zeigen, dass weniger schlechte Laune, aber das Erleben negativer Gefühle wie Stress, Frustration, Ärger, Traurigkeit, Verzweiflung, Langeweile oder Leere, wichtige Vorläufer für Essanfälle darstellen. Um den Einfluss dieser Gefühle und des Umgangs damit auf Essanfälle besser zu verstehen, induzieren wir im Labor negative Stimmung durch Bilder und Videos. In dieser Stimmung werden Proband_innen trainiert, verschiedene Strategien zur  Emotionsregulation anzuwenden. Wir interessieren uns dafür, wie sich diese Strategien auf die Befindlichkeit und die BES auswirken.

Auf sozialen Medien gibt es einen Trend, bei dem Personen mit BES ihre täglichen Essensmengen dokumentieren und zeigen. Wie bewerten Sie diesen Ansatz – sehen Sie darin Potenzial, Risiken oder beides?
Bei Social-Media-Trends wie «What I eat in a day» oder «What I eat on a binge day» ist es wichtig, zwischen unterschiedlichen Intentionen der Creators zu unterscheiden. Nutzt ein Creator das Format, um funktionale Strategien wie Selbstfürsorge (z. B. unterstützende Selbstinstruktion) nach einem Essanfall zu fördern, um die negativen Gefühle besser aushalten zu können, kann das positive Effekte haben. In der Psychotherapie bei BES wird die Selbstbeobachtung der täglichen Nahrungsaufnahme in Kombination mit dem Protokollieren von situativen Bedingungen, Gedanken, körperlichen Zuständen und Gefühlen angewendet. Auf diese Weise hilft das Dokumentieren der Nahrungsaufnahme herauszufinden, was Essanfälle auslöst und aufrechterhält. Das blosse Dokumentieren der Essensmengen ist nicht nützlich, und den Fokus auf kompensatorisches Verhalten wie z.B. Erbrechen etc. zu legen, ist schädlich. Allgemein ist beim Konsum sozialer Medien zu beachten, dass wir selten so gut lernen, wie am Modell und dass wir die Modelle auf sozialen Medien genauso kritisch betrachten und aussuchen sollten wie im echten Leben …

Sie suchen weiterhin nach Proband’innen für Ihre Studie. Wie herausfordernd ist es, passende Personen zu finden? Und wie viele Menschen sind Ihrer Einschätzung nach insgesamt von BES betroffen?
Die BES ist die am weitesten verbreitete Essstörung mit einer Lebenszeitprävalenz (= es wird ermittelt, wie viele Personen irgendwann in ihrem Leben schon einmal an BES gelitten haben, Anmerkung der Redaktion) von 1,9 bis 4%. Zudem kommt sie bei Personen mit bei Geburt zugewiesenem weiblichen und männlichen Geschlecht beinahe gleich häufig vor, was die BES auf den ersten Blick zu einer leicht zugänglichen Zielgruppe für die Forschung machen könnte.

Für experimentelle Studien im Labor und Behandlungsstudien gilt allgemein, so auch für die BES, dass die Rekrutierung immer schwieriger verläuft als angenommen. Dies kann daran liegen, dass betroffene Personen selbst nicht erkennen, dass sie unter einer BES leiden, da das Störungsbild in der Allgemeinbevölkerung noch nicht ausreichend bekannt ist. Weitere Gründe beinhalten die Scham betroffener Personen, über ihr Problem zu sprechen und sich für eine Studie zum Thema anzumelden. Dies gilt vor allem fürs Überessen, was durch den gesellschaftlichen Druck, sich vermeintlich perfekt kontrollieren können zu müssen, verstärkt wird.

Unsere Forschungsgruppe arbeitet seit Jahren genau an der Überwindung dieser Schwierigkeiten und hat zum Ziel, das Verständnis und das gesellschaftliche Bewusstsein für die Behandelbarkeit von Essstörungen zu verbessern. In der aktuellen Untersuchung können wir dank der Unterstützung des SNF die finanzielle Vergütung betroffener Personen bei der Klärung unserer Forschungsfragen ermöglichen. */**

Betroffene Personen mit BES, die Behandlung suchen, informieren sich gerne über unsere Webpage (PTPS) über das Vorgehen. Neu bieten wir nebst der Behandlung in Präsenz ein begleitetes Onlineprogramm zur Behandlung der BES an unserer Praxisstelle an.

*Psychologiestudierende erhalten Versuchspersonenstunden für Ihre Teilnahme an den Untersuchungen.

** Alle weiteren Teilnehmenden können für ihre Teilnahme an beiden Teilstudien mit einem Betrag von insgesamt CHF 430CHF für ihren Aufwand entgolten werden.

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Im Herzen der Erde – Wie eine Tiefseebohrung unser Verständnis von geologischen Prozessen erweitert /alma-georges/articles/2024/im-herzen-der-erde-wie-eine-tiefseebohrung-unser-verstandnis-von-geologischen-prozessen-erweitert /alma-georges/articles/2024/im-herzen-der-erde-wie-eine-tiefseebohrung-unser-verstandnis-von-geologischen-prozessen-erweitert#respond Fri, 23 Aug 2024 11:37:17 +0000 /alma-georges?p=20724

Im Frühling 2023 fand eine der aufregendsten Tiefseebohrungen des Jahres statt. Esther Schwarzenbach, Wissenschaftlerin am Departement für Geowissenschaften, spielte dabei eine entscheidende Rolle bei der Analyse der Gesteinsproben, die aus über 1200 Metern Tiefe unter dem Meeresboden entnommen wurden. Im Dezember 2024 war sie persönlich in Texas, wo sie im Bohrkernlager in College Station die Proben zusammen mit dem Petrologie-Team detailliert untersuchte und wertvolle Einblicke in die geologischen Prozesse der Erdkruste gewann. 

Was waren die grössten Herausforderungen bei der Entnahme des Gesteinskerns aus einer so grossen Tiefe unter dem Meeresboden?
Die Tiefe des Bohrkerns ist insofern nicht das aussergewöhnlichste, da bereits an drei anderen Stellen am Meeresboden in Tiefen von über 1200 m gebohrt wurde. Bisher beinhalteten diese Bohrkerne jedoch Basalte und/oder Gabbros, also Gesteine, welche die typische ozeanische Kruste aufbauen, bzw. über 95% des Ozeanbodens ausmachen.

Das Interessante an dem Bohrkern ist, dass die gebohrten Gesteine grösstenteils aus den Gesteinen des Erdmantels bestehen. Das sind Gesteine, welche wir nur sehr selten studieren können, da der Erdmantel normalerweise von der bis zu 60 km dicken Erdkruste überdeckt wird. Um die Gesteine des Erdmantels zu studieren, müssen wir entweder alten ozeanischen Boden, der auf dem Kontinenten aufgeschlossen ist (sogenannte Ophiolite) untersuchen, oder sogenannte tektonische Fenster suchen (wie nun im vorliegenden Fall), also Orte, wo der Erdmantel am Meeresboden aufgeschlossen und erreichbar ist. Und genau so ein tektonisches Fenster finden wir am Atlantis-Massiv, einem über 4000 Meter hohen Massiv, das am Mittelatlantischen Rücken liegt, und wo Gesteine des Erdmantels direkt am Meeresboden freigelegt wurden.

Welche neuen Erkenntnisse erhoffen Sie sich durch die Analyse dieser Proben über die Zusammensetzung des Erdmantels?
Die gebohrten Gesteine können einerseits neue Informationen über die Bildung neuer ozeanischer Kruste geben, welche schlussendlich 60% der Oberfläche unseres Planeten ausmacht. Das heisst, die Prozesse welche sich im Oberen Erdmantel abspielen, haben einen direkten Einfluss darauf, wie sich die Lithosphärenplatten auseinander bewegen, was wiederum einen Einfluss auf die globalen Bewegungen der Lithosphärenplatten hat.

Noch spannender bei den gebohrten Gesteinen ist jedoch der Prozess der Serpentinisierung, der in diesen Gesteinen abläuft. Die Minerale des Erdmantels sind an der Erdoberfläche und vor allem im Kontakt mit Wasser sehr instabil, worauf sich andere, neue Minerale bilden, unter anderem das Mineral Serpentin. Bei diesem Prozess, wo nun das Meerwasser mit dem Gestein des Erdmantels reagiert, entstehen verschiedene chemische Komponenten, unter anderem gasförmiger Wasserstoff, aber teilweise auch Methan und andere Kohlenstoff-haltigen Verbindungen (z.B. Format, Acetat). Diese chemischen Verbindungen, vor allem gasförmiger Wasserstoff und Methan, welche durch diese abiogenen Mineralreaktionen entstehen, sind enorm wichtig, da sie eine Energiequelle für sehr einzigartige Mikroben sind. Diese Mikroben (Bakterien und sogenannte Archaea) gehören zu den einfachsten Lebensformen und könnten bereits eine wichtige Rolle auf der frühen Erde gespielt haben. Bzw. die Hypothese ist, dass diese Mineralreaktionen, also die Reaktion von Wasser mit dem Erdmantel, einen Einfluss auf die Entstehung des Lebens gehabt haben könnten. Ähnliche Prozesse finden aber zum Beispiel auch auf dem Saturnmond Enceladus statt, wo ähnliche Gesteine wie jene des Erdmantels direkt von einem dicken Ozean umgeben sind. Somit können die Prozesse, welche sich am Atlantis-Massiv abspielen auch ein Analog sein, für jene die sich auf dem Saturnmond Enceladus abspielen.

Meine Forschung bezieht sich diesbezüglich vor allem darauf, herauszufinden, in welche Tiefen wir mikrobielle Aktivitäten im Gestein noch nachweisen können. In ähnlichen Gesteinen, wie jene, die nun am Atlantis-Massiv gebohrt wurden, konnte bereits gezeigt werden, dass sulfatreduzierende Bakterien mindestens bis in Tiefen von 150 m im Meeresboden leben (in Porenräumen oder Rissen im Gestein, die dafür gross genug sind). Die Aufgabe meiner Arbeitsgruppe wird nun sein, herauszufinden, bis in welche Tiefen wir diese Bakterien am Atlantis Massif finden und welche Bedingungen (z.B. welche Temperaturen) das Leben in der tiefen Biosphäre ermöglicht.

 

Wie könnte dieses Projekt unser Verständnis der Dynamik der Erdplatten und geologischen Prozesse verbessern?
Während das Meerwasser mit den Gesteinen des Erdmantels reagiert, bilden sich Minerale, welche das Wasser in ihrer Kristallstruktur speichern (so das Mineral Serpentin). So enthält ein Erdmantelgestein, das komplett zu einem Serpentinit umgewandelt wurde 13 Gewichtsprozent Wasser! Das heisst, ein 100 g schwerer Serpentinit kann bis zu 13 g Wasser enthalten. Diese Gesteine werden schliesslich entlang von sogenannten Subduktionszonen wieder in das Erdinnere transportiert, wodurch zum Beispiel die Bildung von Magmen ausgelöst wird. Das heisst, der Anteil an Wasser, der schlussendlich in Gesteinen des Erdmantels gespeichert wird, kontrolliert zahlreiche andere Prozesse, unter anderem Vulkanismus an konvergenten Plattenrändern, so wie wir ihn z.B. in den Anden finden.

Andererseits werden während das Meerwasser mit dem Erdmantel reagiert auch andere Elemente und chemische Komponenten, wie z.B. CO2 im Gestein gebunden. Dies sieht man unter anderem durch zahlreiche weisse Adern, welche das Gestein durchziehen. Damit spielen diese Prozesse auch eine Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf.

Welche technologischen Innovationen waren erforderlich, um die Bohrungen erfolgreich durchzuführen?
Das Tiefseebohren ist nun bereits über 50 Jahre alt und die jeweiligen Bohrungen profitieren natürlich auf den Erfahrungen der früheren Bohrungen. So war es möglich, mit guter Vorerkundung des Meeresboden und dem technologischen Fortschritt der letzten 50 Jahre nun endlich den Erdmantel bis in Tiefen von 1200 Metern zu bohren.

Gab es während des Projekts einen Moment, der Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist? Vielleicht etwas Unerwartetes oder eine besondere Herausforderung?
Das besondere an dem Bohrkern ist wohl, dass ein so grosser Teil des Bohrkerns alteriert ist, also mit dem Meerwasser interagiert hat. Das heisst, Meerwasser ist mindestens bis in Tiefen von 1200 m eingedrungen und hat mit dem Gestein reagiert. Da die gemessenen Temperaturen in einer Tiefe von knapp über 1000 Metern immer noch bei ca. 90°C lagen, und somit im Bereich, wo mikrobielle Aktivität möglich ist, könnte entsprechend bis in diese Tiefen Leben in den Gesteinen noch möglich sein.

Zudem hat die intensive Wechselwirkung von Meerwasser mit dem Gestein direkt am Meeresboden zu starker Oxidierung geführt. Einige der Gesteine, die aus sehr geringen Tiefen stammen, sind fast rostrot und entsprechend schon sehr stark verwittert. Hier konnten wir einen Trend sehen, dass diese Meeresbodenverwitterung bis zu einer Tiefe von ca. 200 m abnahm und danach fast nicht mehr erkennbar war. Dies ist eine Beobachtung, die man bisher, aufgrund der viel geringeren Bohrtiefen, noch nicht machen konnte.

Auch hat mich die Variabilität und das Auftreten von unterschiedlichsten Texturen immer wieder erstaunt. Sie alle sind hinweise darauf, wie komplex die Prozesse sind, die im Meeresboden ablaufen und wir vieles immer noch nicht verstehen.

Als letztes fand ich zudem erstaunlich, über welche Länge die Bohrkerne noch intakt waren. Das heisst es gab 1.5 Meter lange Bohrkerne, bei denen das Gestein nicht zerbrochen war und entsprechend die ursprünglichen Texturen noch sehr gut nachvollziehbar sind.

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  • Website von Esther Schwarzenbach
  • Link zum
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Pint of Science – Treffen Sie die brillantesten Wissenschaftler_innen in der Kneipe! /alma-georges/articles/2024/pint-of-science-treffen-sie-die-brillantesten-wissenschaftler_innen-in-der-kneipe /alma-georges/articles/2024/pint-of-science-treffen-sie-die-brillantesten-wissenschaftler_innen-in-der-kneipe#respond Mon, 06 May 2024 14:52:20 +0000 /alma-georges?p=20137 Die Popularisierung der Wissenschaft nimmt in Freiburg eine neue, unkonventionelle Wendung: Das «Pint of Science»-Festival kommt in die Stadt! In einem Gespräch mit Liviana, Marta und Carolina, den Organisatorinnen des Events, erfuhren wir mehr über dieses einzigartige Format, das Wissenschaft und Gemeinschaft in gemütlicher Atmosphäre verbindet.

Was ist die «Pint of Science»-Veranstaltung und was ist ihr Hauptziel?
«Pint of Science» ist eine Veranstaltung zur Popularisierung der Wissenschaft, die 2013 in England begann und sich seitdem in 25 Ländern weltweit verbreitet hat. 2019 fand sie zum ersten Mal in der Schweiz statt, und dieses Jahr haben wir endlich das Vergnügen, auch Freiburg in dieses Festival einzubeziehen!

Das Ziel ist einfach, aber wirkungsvoll: Wissenschaft und Technologie für alle zugänglich zu machen und die Barrieren zwischen Forschenden und der Öffentlichkeit abzubauen. In einer informellen und offenen Umgebung wie einer Kneipe oder einem Café sind alle eingeladen, mitzumachen, zu lernen und Fragen zu stellen. Wissenschaft ist nicht nur etwas für Wissenschaftler_innen: Sie ist für alle, die neugierig sind und die Welt um uns herum erforschen wollen.

Glauben Sie, dass «Pint of Science» das Klischee nährt, dass die Universitätsgemeinschaft oft eine enge Beziehung zum Alkohol hat?
Weit gefehlt! Es sollte klargestellt werden, dass «Pint of Science» nicht ausschliesslich mit der Universität in Verbindung gebracht wird, sondern mit der Wissenschaft in ihrer breiteren Bedeutung der Liebe zur Entdeckung und zum Verständnis der Welt. Natürlich findet ein grosser Teil der wissenschaftlichen Arbeit in akademischen Kreisen statt, aber nicht ausschliesslich: Auch die Industrie und Start-ups beteiligen sich aktiv an der Forschung und Innovation in vielen Bereichen. Zwei unserer Redner_innen bei dieser Ausgabe sind sogar Wissenschaftler_innen, die ausserhalb der Akademie arbeiten.

Das Motto dieser drei Abende lautet auf jeden Fall «Stille deinen Wissensdurst». Das bedeutet, lösche deinen Durst … nach Wissen! Die Veranstaltung findet dann in einer Kneipe statt (in unserem Fall in einem Café), nicht um sie mit Alkohol zu assoziieren, sondern um zu zeigen, dass ein «wissenschaftlicher» Plausch überall möglich ist und, warum nicht, sogar Spass macht und nicht nur in Hörsälen oder Laboren der Universität stattfinden muss.

Können Sie ein paar denkwürdige oder herausragende Momente vergangener «Pint of Science»-Veranstaltungen nennen?
Das Tolle an «Pint of Science» ist, dass jede Veranstaltung anders und einzigartig sein kann, weil die Abende das Ergebnis einer grossartigen Interaktion zwischen den Redner_innen und den Zuhörer_innen sind, die nicht nur Zuschauer_innen sind, sondern aktiv an dem Abend teilnehmen. In diesem Fall ist es das erste Jahr, in dem wir «Pint of Science» in Freiburg veranstalten. Wir können also sagen, dass wir uns darauf freuen, was diese drei Abende zu bieten haben, und dass wir diese Frage nächstes Jahr gerne beantworten werden!

Wie werden die Themen und Wissenschaftler_innen für die «Pint of Science»-Veranstaltungen ausgewählt?
Jede Stadt arbeitet unabhängig, und man kann sehr frei zwischen den Themen wechseln, von Medizin bis Astronomie, von Robotik bis Politik, aber auch von Geschichte bis Biotechnologie. Wir haben versucht, Wissenschaftler_innen einzubeziehen, die in oder um Freiburg arbeiten, sowohl an der Universität als auch in einigen Unternehmen oder Start-ups. Um so viele Menschen wie möglich einzubeziehen, haben wir uns drei verschiedene Themen für die drei Abende und drei Sprachen ausgedacht (Französisch und Deutsch, die offiziellen Sprachen des Kantons, aber auch Englisch, um die vielen internationalen Studierenden und Beschäftigten einzubeziehen).

Sind nur Naturwissenschaftler_innen oder auch Geisteswissenschaftler_innen willkommen?
Geisteswissenschaftler_innen sind auf jeden Fall willkommen, sowohl bei den Zuhörer_innen als auch bei den Referent_innen. So werden wir neben Chemiker_innen, Physiker_innen und Mathematiker_innen auch einen Linguisten als Redner haben, der über Zweisprachigkeit und ihre Vorteile für die kognitive Entwicklung sprechen wird.

Welche Auswirkungen erhofft ihr euch von «Pint of Science Fribourg» auf die lokale Gemeinschaft?
Wir hoffen, dass wissenschaftlich Interessierte einen Ort des Austauschs und der Begegnung finden, an dem jede einzelne Person etwas lernen kann und sich frei fühlt, Fragen zu stellen und mit unseren Referent_innen zu interagieren. Aber vor allem hoffen wir, dass dies eine ansprechende und integrative Erfahrung für die Freiburger Gemeinschaft sein wird, auch für diejenigen, die noch nie die Gelegenheit hatten, sich der Wissenschaft zu nähern.

Wie unterscheidet sich «Pint of Science» von anderen Initiativen zur Wissenschaftskommunikation wie «MT180» oder «Science Slam»?
Die von Ihnen genannten Initiativen sind sehr interessant und gültig, aber der grosse Unterschied ist, dass sie auf kurzen Mitteilungen von Studierenden oder Forschenden über eine ganz bestimmte Arbeit basieren. MT180 zum Beispiel basiert auf der Kommunikation der eigenen Doktorarbeit in 3 Minuten. Im Gegensatz dazu konzentrieren wir uns bei «Pint of Science» auf einen interaktiven Austausch zwischen den Redner_innen und den Zuhörenden und nehmen uns die nötige Zeit, um den «Wissensdurst der Teilnehmenden zu stillen». Tatsächlich ist für jeden Abend eine Aktivität geplant, um die Teilnehmenden aktiv einzubinden. Wir wollen nicht zu viel verraten, aber wir versprechen, dass Sie sich nicht langweilen werden !

Haben Sie seit dem Start von «Pint of Science» irgendwelche Trends oder Veränderungen im öffentlichen Interesse an der Wissenschaft festgestellt?
Obwohl es noch zu früh ist, um solche Aussagen für Freiburg zu treffen (dies ist das erste Jahr des Festivals), haben wir in Italien einige Jahre in Folge als Zuschauer_innen und/oder Freiwillige an «Pint of Science» teilgenommen und unsere Erfahrung ist überwältigend positiv, da wir Jahr für Jahr ein wachsendes Interesse in der Öffentlichkeit feststellen konnten. Wir glauben, dass das Erfolgsrezept darin besteht, dass «Pint of Science» keine Veranstaltung ist, der man nur passiv beiwohnt, sondern dass sie eine Vermittlerin ist: Die Protagonist_innen sind nicht nur die Redner_innen, sondern auch die Teilnehmenden!

Zu guter Letzt: Worauf freuen Sie sich am meisten beim diesjährigen «Pint of Science» in Freiburg?
Wir freuen uns darauf, die Reaktionen des Freiburger Publikums während der «Pint of Science»-Abende zu sehen! Wir hoffen sehr, dass die Initiative als das geschätzt wird, was sie ist, nämlich ein unterhaltsamer Wissenschaftsvortrag, der einen ruhigen Abend in der Kneipe begleitet. Ausserdem sind wir gespannt auf die Präsentationen aller Redner_innen. Wir haben sie kontaktiert, weil sie an sehr interessanten Themen arbeiten, sowohl für die Wissenschaft als auch für die breite Öffentlichkeit, und wir sind sicher, dass sie beim «Pint of Science» ihr Bestes geben werden.

Pint of Science @ Freiburg!

13. bis 15. Mai 2024, jeweils ab 18:30 Uhr

Café des Grand-Places
Grand-places 12 1700, Freiburg, Schweiz

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  • Website von

 

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Falling Walls Lab – Wo innovative Ideen Mauern einreissen /alma-georges/articles/2024/falling-walls-lab-wo-innovative-ideen-mauern-einreissen /alma-georges/articles/2024/falling-walls-lab-wo-innovative-ideen-mauern-einreissen#respond Thu, 02 May 2024 12:07:46 +0000 /alma-georges?p=20142 Im Gespräch mit Ivana Domljanovic, Postdoc an der Unifr und Gewinnerin des Falling Walls Lab Wettbewerbs in Freiburg, erfahren wir mehr über den Zweck dieses weltweiten Pitch-Wettbewerbs und die Mauern, die er einzureissen versucht.

Was ist das Falling Walls Lab und was ist sein Zweck?
Das Falling Walls Lab ist ein weltweiter Pitch-Wettbewerb und ein Netzwerkforum. Es bringt einen vielfältigen und interdisziplinären Pool von Studierenden und Berufstätigen zusammen und bietet eine Bühne für globale und lokale bahnbrechende Ideen.

Welche „Mauern“ sollen genau fallen?
Das ist eine ausgezeichnete Frage, die eine ausführlichere Antwort verdient. In diesem Wettbewerb fallen viele Mauern; ich werde mich auf zwei konzentrieren. Erstens: Eine der Mauern, die fällt, ist die persönliche, die wir haben. Wenn du an einem solchen Wettbewerb teilnimmst, musst du aus deiner Komfortzone heraustreten und deine Arbeit auf einer internationalen und interdisziplinären Bühne präsentieren, auf der du mit 100 sehr talentierten jungen Menschen konkurrierst. Du musst lernen, selbstbewusst zu sein und dich auf der grossen Bühne wohl zu fühlen, und du musst lernen, wie du in der neuen Welt, die wir mit unseren Innovationen verbessern wollen, kommunizieren und konkurrieren kannst.

Die zweite ist globaler, eine Wand der Kommunikation. Dieser Wettbewerb erinnert uns daran, wie wichtig hochwertige, innovative Arbeit ist, die hervorragend kommuniziert werden muss.

Wir leben in einem wissenschaftlichen Zeitalter, und es ist dringend notwendig, der Öffentlichkeit die Naturwissenschaften zu vermitteln, von den Grundlagen bis zu den Durchbrüchen. Im Falling Walls Lab können junge Wissenschaftler_innen lernen, wie sie ihre Arbeit einem breit gefächerten Publikum präsentieren können. Obwohl es heute einfacher denn je ist, in Kontakt zu bleiben, kann es eine Herausforderung sein, den ersten Kontakt herzustellen. Wenn man bedenkt, dass die aktuellen Herausforderungen der Menschheit nur durch einen interdisziplinären Ansatz gelöst werden können – man denke nur an die Onkologie, den Klimawandel, die Energieerzeugung und die Neurowissenschaften.

Als Gesellschaft müssen wir bereitwillig und klar über unsere traditionellen Disziplinen hinaus kommunizieren.

Wer darf mitmachen? Gibt es bestimmte Kriterien, die erfüllt werden müssen?
Es gibt ein paar Kriterien, die beachtet werden müssen, z. B:

Die Teilnehmenden müssen zum Zeitpunkt der Bewerbung mindestens 18 Jahre alt sein. Es gibt keine obere Altersgrenze für Bewerber_innen.

Die Bewerber_innen müssen mindestens eine der folgenden formalen Voraussetzungen erfüllen:

  • Du bist derzeit an einer Universität eingeschrieben und befindest dich in der Postdoc-Phase
  • Du hast deinen Bachelor-Abschluss vor nicht mehr als zehn Jahren gemacht
  • Dein Master-Abschluss liegt nicht länger als sieben Jahre zurück
  • Du hast vor nicht mehr als fünf Jahren promoviert.

Wie bist du an dem Projekt beteiligt?
Ich bin zurzeit Postdoc an der Universität Freiburg und habe letztes Jahr den Wettbewerb The Falling Walls Lab of Fribourg gewonnen. Ich bin nach Berlin gefahren, um am Wettbewerb teilzunehmen und Freiburg bzw. die Schweiz zu vertreten. Es ist jedoch wichtig zu erwähnen, dass das Freiburger Organisationsteam, das die Falling Walls Labs der Westschweiz organisiert, wirklich grossartig ist und mir auf meinem Weg sehr geholfen hat.

Wie unterscheidet sich das Falling Walls Lab von anderen Veranstaltungen wie dem Science Slam?
Es ist anders, weil das Lab kein gewöhnlicher Science Slam ist, sondern eine einzigartige Mischung aus Wettbewerb, Durchsetzungsvermögen und natürlicher Neugier auf das, was andere Leute machen. Ausserdem musst du deine Arbeit in weniger Zeit präsentieren als beim Science Slam.

Was empfiehlst du Leuten, die daran interessiert sind, teilzunehmen?
Das ist die beste Erfahrung, an die sie sich für immer erinnern werden, eine Erfahrung, die ihnen so viel Wachstum und Projektwachstum bescheren wird. Es bringt sie auch auf die globale Bühne, wo ihre Arbeit gesehen wird. WENN SIE DAS ALLES WISSEN, SOLLTEN SIE NICHT ZÖGERN, SONDERN SICH DARAUF EINLASSEN.

Hast du zum Schluss noch eine lustige Anekdote?
Ich habe keine lustige Anekdote. Ich war froh, meine Arbeit vor Fachleuten zu präsentieren, die mir ihre eigene Sichtweise/Meinung zu meinem Projekt geben konnten.

Falling Walls Lab Fribourg – Call open!

Welche Wand wird deine Forschung einreissen? Stelle deine innovative Idee in nur drei Minuten vor und präsentiere einen Durchbruch, der sich positiv auf Wissenschaft und Gesellschaft auswirkt.

WO
Aula Magna Universität Freiburg, Schweiz

ANMELDUNGEN
Lade alle Informationen herunter.

DEADLINE
15. Mai 2024

BEI FRAGEN
sofia.martincaba@unifr.ch

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  • Website von

 

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Umweltforschungspreis: Eine Auszeichnung für wegweisende Beiträge zur Bewältigung globaler Umweltprobleme /alma-georges/articles/2024/umweltforschungspreis-eine-auszeichnung-fur-wegweisende-beitrage-zur-bewaltigung-globaler-umweltprobleme /alma-georges/articles/2024/umweltforschungspreis-eine-auszeichnung-fur-wegweisende-beitrage-zur-bewaltigung-globaler-umweltprobleme#respond Tue, 30 Apr 2024 08:57:59 +0000 /alma-georges?p=20109 Der Umweltforschungspreis würdigt herausragende Beiträge von Forschenden, die sich um das Verständnis von Umweltproblemen und -herausforderungen bemühen. Doch seine Bedeutung geht weit über die Anerkennung einzelner Wissenschaftler_innen hinaus. Ein Gespräch mit Prof. Cathryn Magno, Mitglied der Preiskommission.

Können Sie für diejenigen, die den Umweltforschungspreis vielleicht nicht kennen, kurz seine Bedeutung erklären und wie er zu einem besseren Verständnis von Umweltproblemen und -lösungen beiträgt?
Der Umweltforschungspreis würdigt herausragende Beiträge von Forschenden, die sich um das Verständnis von Umweltproblemen und -herausforderungen bemühen. Er bietet uns die Möglichkeit, die bahnbrechende Arbeit einzelner Wissenschaftler_innen zu würdigen, die dazu beitragen, unser Verständnis komplexer Umweltprobleme zu verbessern. Wir hoffen, dass er Forschende dazu motiviert, die Grenzen des aktuellen Wissens zu erweitern, um neue Methoden zu erforschen und innovative, effektive Lösungen zu entwickeln. Der Preis unterstreicht auch die Bedeutung der Umweltforschung im Allgemeinen. Durch den Preis können wir forschungsbasierte Erkenntnisse und Empfehlungen an ein breiteres Publikum weitergeben, das über die akademische Gemeinschaft hinausgeht und sich an politische Entscheidungsträger_innen sowie die breite Öffentlichkeit wendet. Die breite Anerkennung von Umweltproblemen ist entscheidend für die Akzeptanz und Umsetzung wichtiger, wenn auch manchmal schwieriger Veränderungen in unserem täglichen Leben, in unseren Gemeinden und als Mitglieder der Weltbevölkerung.

Die Umweltforschung ist von Natur aus komplex und interdisziplinär. Der Preis ermutigt Wissenschaftler_innen zur Zusammenarbeit über die Grenzen der Disziplinen hinweg und inspiriert aktuelle und zukünftige Forschende dazu, sowohl komplizierte Fragen zu stellen als auch komplizierte Antworten zu akzeptieren. Die Dringlichkeit von Umweltproblemen kann durch die Weiterentwicklung von Ideen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und Methoden verstärkt werden, die alle darauf abzielen, Massnahmen zur Eindämmung der Umweltzerstörung und zur Förderung der ökologischen Nachhaltigkeit voranzutreiben.

Prof. Cathryn Magno

Warum haben Sie sich entschlossen, dem Ausschuss beizutreten und was hat Sie motiviert, zu dieser besonderen Initiative beizutragen?
Die Umweltforschung ist ein Bereich, der kritisches Denken über die Beziehungen zwischen Mensch und Natur, die globale Reichweite, reale Probleme und systemische Ansätze zur Problemlösung erfordert. Es geht um die Frage, wie Gerechtigkeit und Gleichberechtigung gewährleistet und gleichzeitig Nachhaltigkeit auf kulturübergreifende, interdisziplinäre und kooperative Weise gefördert werden können. Sie könnte auch die tiefen epistemischen, politischen, kulturellen, ethischen usw. Wurzeln unserer aktuellen Umweltkrise(n) untersuchen. Das sind genau die Fragen, die wir in meinem eigenen Fachbereich der vergleichenden und internationalen Bildung stellen, in dem wir uns mit dem generationenübergreifenden Prozess der Wissenserschaffung, des Transfers/Austauschs, der Förderung und der Kritik befassen. In beiden Bereichen bereiten wir künftige Führungskräfte darauf vor, die globalen Herausforderungen der Nachhaltigkeit durch die Entwicklung von Wissen und Forschung zu bewältigen. Dabei erkennen wir an, dass Umweltprobleme keine nationalen, sozialen oder kulturellen Grenzen respektieren, und dass Bildung eine entscheidende Rolle bei der Sensibilisierung, Aktivierung und Unterstützung der Menschen – insbesondere der Jugend, aber nicht nur – für den notwendigen Wandel spielt.

Vergleichende Bildung beinhaltet die Untersuchung von Bildungssystemen, -politiken, -prozessen und -praktiken über Zeit und Raum hinweg. Im Rahmen des Teilbereichs der Politikleihe können Forschende zum Beispiel erfolgreiche umweltbewusste Unterrichtsstrategien an einem Ort identifizieren, um sie an anderer Stelle anzuwenden, oder Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler können Einstellungen oder Werte innerhalb und zwischen verschiedenen Gruppen von Menschen in Bezug auf Umweltauswirkungen untersuchen. Wenn wir mehr über die grundlegenden Ansichten über die Umwelt erfahren, können wir wirksame Umweltbildungsprogramme entwickeln, die auf unterschiedliche kulturelle Kontexte zugeschnitten sind, und die gelebte Umwelterfahrung von Menschen (und Nicht-Menschen) auf der ganzen Welt besser verstehen. Was die Klimagerechtigkeit angeht, ist es uns ein großes Anliegen, dass die Umweltzerstörung oft unverhältnismäßig stark marginalisierte Gemeinschaften auf der ganzen Welt betrifft. In unserem Teilbereich Bildung in Notsituationen befassen wir uns zum Beispiel mit der Bereitstellung von Bildung für Menschen, die von Naturkatastrophen betroffen sind und bei denen oft noch andere Faktoren wie Geschlecht, soziale Klasse, ethnische Zugehörigkeit usw. hinzukommen. Wir wollen Wege aufzeigen, wie die Beziehung zwischen Umwelt und Bildung gestaltet werden kann, indem wir den Anthrozentrismus in Frage stellen und menschliche Praktiken und Ideologien durchbrechen, um die Welt nicht nur zu beschreiben, sondern sie vielmehr zu verändern.

Im Einklang mit dieser Bildungsphilosophie freue ich mich, in einem Preiskomitee mitzuarbeiten, das transformative Forschung zum Thema Umwelt und den damit verbundenen globalen Herausforderungen würdigt.

Können Sie uns einen Überblick über Ihre Aufgaben geben und was Ihre Rolle beinhaltet?
Da dies meine erste Erfahrung im Ausschuss ist, weiss ich nicht, wie ich diese Frage interessant beantworten soll. 😉 Zusammen mit den anderen Ausschussmitgliedern werde ich die eingereichten Dossiers von Bewerber_innen prüfen, die an der Universität Freiburg arbeiten oder gearbeitet haben und innerhalb der letzten zwei Jahre in ihrer Habilitations-, Doktor- oder Masterarbeit oder in einer Veröffentlichung über die Umwelt geschrieben haben. Der Preis kann zur Finanzierung von Studienreisen, Konferenzteilnahmen, Publikationskosten oder zukünftigen Forschungsarbeiten verwendet werden. Die Bewerbungsfrist endet am 30. Juni 2024!

Warum ist es wichtig, disziplinäre und interdisziplinäre Forschung im Bereich der Umweltwissenschaften und der Nachhaltigkeit zu fördern?
Ich würde sagen, dass es in jedem Bereich wichtig ist, sowohl disziplinäre als auch interdisziplinäre Forschung zu fördern, vor allem aber in Bereichen, die dringende soziale, politische, technologische und sogar kulturelle Veränderungen erfordern, wie die Umweltwissenschaften angesichts der wachsenden Klimakrise und der Notwendigkeit von Klimagerechtigkeit. Während die disziplinäre Forschung es uns ermöglicht, bestimmte Aspekte der Umweltkrise zu erforschen (z. B. Ökologie oder Umweltchemie), bietet die interdisziplinäre Forschung das Potenzial, ganzheitlichere Lösungen für vielschichtige Probleme zu entwickeln. Die Integration von Wissen ermöglicht es Wissenschaftler_innen, positive Synergien und/oder unbeabsichtigte (positive oder negative) Folgen zu erkennen, die sie in ihrer eigenen Disziplin vielleicht nicht «gesehen» oder berücksichtigt hätten. Es regt zu kreativem Denken und neuen Ansätzen an und bezieht oft die Sichtweisen verschiedener Sektoren wie Regierungen, Unternehmen und Gemeindeorganisationen mit ein. Das wiederum führt zu Ergebnissen und Empfehlungen, die sozial und kulturell angemessen, nachhaltig und machbar sind.

Welche Botschaft möchten Sie potenziellen Bewerber_innen und der breiten Öffentlichkeit vermitteln, wie wichtig es ist, Initiativen wie den Preis zu unterstützen und sich daran zu beteiligen?
Potenziellen Bewerber_innen würde ich sagen: Bitte macht mit, denn eure Beiträge sind wichtig! Wir schauen auf eure Forschung – sowohl auf die Fragen als auch auf die Ergebnisse – um die komplexen Zusammenhänge im Bereich der Umweltwissenschaften besser zu verstehen und um herauszufinden, welche Massnahmen wir ergreifen können, um unseren Planeten positiv zu verändern. Die breite Öffentlichkeit muss sich auf die Wissenschaft verlassen können, um mutige Entscheidungen darüber zu treffen, wie sie ihr Leben als Individuum und in Gemeinschaft mit anderen Menschen und der natürlichen Welt leben. Mit deiner Teilnahme an dieser Initiative machst du auf die Bedeutung der Umweltforschung aufmerksam, aber auch auf die Notwendigkeit, weiterhin in sie zu investieren, wenn wir die drängenden Probleme ernsthaft angehen wollen. Du kannst dabei helfen, die Führung zu übernehmen.

Wie kann der Preis Ihrer Meinung nach die Umweltforschung positiv beeinflussen und was erwarten Sie von den Beiträgen junger Forscher_innen in diesem Bereich?
Durch die Auszeichnung herausragender Beiträge würdigt der Preis die Arbeit junger Wissenschaftler_innen und motiviert und inspiriert sie hoffentlich, die Grenzen des Wissens zu erweitern, neue Methoden zu erforschen und drängende Umweltprobleme mit neuem Enthusiasmus anzugehen. Der Preis hat auch das Potenzial, die Vernetzung, die Zusammenarbeit und den Wissensaustausch zu fördern, was junge Forschende in ihrem Bestreben unterstützen wird, über die aktuellen Lösungen hinauszugehen und komplexe Probleme anzugehen. Es ist eine Möglichkeit, Talente zu fördern und das Fachwissen einer neuen Generation von Umweltführungskräften zu entwickeln, von denen wir wiederum erwarten, dass sie ihre neuen Perspektiven einem breiten Publikum vorstellen. Junge Forschende sind oft die leidenschaftlichsten und engagiertesten Wissenschaftler_innen in jedem Bereich, und wir erwarten, dass dieser Preis sie dazu ermutigt, sich für Bewusstsein, Handeln und Gerechtigkeit in der Umweltwissenschaft einzusetzen.

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Fribourg, capitale de l’émerveillement! /alma-georges/articles/2024/fribourg-capitale-de-lemerveillement /alma-georges/articles/2024/fribourg-capitale-de-lemerveillement#comments Mon, 15 Apr 2024 14:48:09 +0000 /alma-georges?p=20052 Du vendredi 26 au samedi 27 avril, l’Université de Fribourg accueillera la finale du 58e Concours national Science et Jeunesse. Une superbe vitrine pour plus de 100 projets nés de l’esprit inventif de chercheuses et chercheurs en herbe venu·e·s des quatre coins de la Suisse. Les explications enthousiastes de Jérémie Aebischer, responsable du projet Concours national de Science et jeunesse.

106 projets ont été retenus pour la finale fribourgeoise. Qu’avaient-ils de plus que les autres?
Au total, nous avons reçu 392 dossiers de toute la Suisse. Ici, ce qui a fait la différence, c’est la contribution personnelle, le côté innovant et l’originalité, la terminologie employée et la qualité de la présentation orale. Les expert·e·s prennent aussi en compte la formulation de la problématique, la méthodologie utilisée, les résultats obtenus et la qualité formelle, telle que l’exactitude des termes utilisés, les citations, la bibliographie, les sources, etc). Je tiens à préciser que les jeunes qui participeront à la finale ont toutes et tous travaillé durant près de deux mois avec un·e expert·e pour améliorer leurs projets et présenter ainsi la meilleure version possible à Fribourg.

Est-ce difficile de motiver les jeunes à s’inscrire?
Motiver des jeunes pour le Concours national de Science et jeunesse est un défi complexe, mais aussi passionnant. En effet, notre premier objectif n’est pas simplement d’attirer un grand nombre de participant·e·s, mais plutôt de trouver des jeunes passionnés et curieux. Nous recherchons des profils spécifiques qui vont au-delà de l’ordinaire. Pour cela, nous nous appuyons sur notre réseau d’enseignant·e·s du secondaire 2, nos précieux·euses ambassadeur·drice·s internes, qui repèrent les meilleurs travaux de maturité et projets de la formation professionnelle. Notre partenariat avec les collèges de Fribourg et notre récente collaboration avec l’Ecole professionnelle artisanale et industrielle témoignent de notre engagement à motiver des jeunes venant de différents horizons. Notre deuxième objectif est de parvenir à une représentation nationale équilibrée, ce qui constitue notre principal défi. Nous cherchons activement chaque année des participant·e·s de Suisse romande et italienne. Nous sommes convaincu·e·s que l’organisation du Concours à l’Université de Fribourg nous permettra de toucher davantage de jeunes Romand·e·s et de susciter encore plus d’intérêt pour les sciences.

On en est à la 58e  édition du Concours national, y a-t-il d’ancien·nes lauréat·es qui sont devenu·e·s célèbres?
Oui, nous pouvons citer, entre autres, Petra Gössi, Conseillère nationale et ancienne présidente du PLR, André Kudelski, chairman & CEO du groupe Kudelski ou encore Martin Hairer, lauréat d’une médaille Fields en 2014, considérée comme équivalente à un Prix Nobel.

«La sagesse commence dans l’émerveillement». Pourquoi avoir choisi ce slogan pour cette édition fribourgeoise?
Nous avons choisi ce slogan parce qu’il reflète parfaitement notre vision du Concours. Plus qu’une simple compétition, nous considérons cette expérience comme une véritable aventure pour les jeunes participant·e·s. Notre objectif principal, en tant que Fondation, est de leur offrir bien plus qu’un simple prix: nous voulons leur donner confiance en elles et en eux, les inspirer et les émerveiller. Pendant trois jours, nous mettons tout en œuvre pour créer un environnement où les jeunes peuvent non seulement présenter leurs projets, mais aussi apprendre à se connaître, échanger des idées, se constituer un réseau et développer leur passion pour la science et l’innovation. Nous sommes convaincu·e·s que c’est dans ces moments d’émerveillement et de découvertes que se trouve le véritable apprentissage et la source de sagesse pour les jeunes. Cette exposition s’adresse à tout le monde, aussi bien au grand public qu’aux scientifiques. Nous aspirons à créer une plateforme dynamique qui encourage le dialogue entre toutes et tous les participant·e·s, quels que soient leur âge, leur formation ou leur domaine d’intérêt.

Trois mots pour encourager les visiteuses et visiteurs à venir voir l’exposition fribourgeoise?
Inspiration, découvertes et interactions. C’est une opportunité pour la population de venir découvrir des jeunes talents de toute la Suisse, qui ont développé de brillantes idées et se réjouissent de les présenter au public.

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  • 58e Concours national – Exposition publique des travaux, 26.04.2024-27.04.2024, Université de Fribourg, Pérolles 21 (PER21)
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Pioniergeist: Der erste Ästhetik-Lehrstuhl der Schweiz /alma-georges/articles/2024/pioniergeist-der-erste-asthetik-lehrstuhl-der-schweiz /alma-georges/articles/2024/pioniergeist-der-erste-asthetik-lehrstuhl-der-schweiz#respond Thu, 28 Mar 2024 07:56:35 +0000 /alma-georges?p=19987 Seit der Einrichtung des ersten Universitäts-Lehrstuhls für Ästhetik und Kunstphilosophie im Jahr 2019 hat dieser eine bedeutende Rolle in der schweizerischen akademischen Welt übernommen. Im Interview mit Prof. Dr. Emmanuel Alloa werfen wir einen Blick auf die facettenreiche Welt der Ästhetik, von ihrer historischen Entwicklung bis hin zu ihrer aktuellen Relevanz für Gesellschaft und Kultur.

Der Lehrstuhl für Ästhetik und Kunstphilosophie an der Unifr ist einzigartig in der Schweiz. Könnten Sie uns diesen kurz vorstellen?
Sehr gern. Die Universität Freiburg hat 2019 am Departement für Philosophie einen neuen Lehrstuhl für Ästhetik und Kunstphilosophie eingerichtet, für den ich damals den Ruf an die Unifr erhielt und dessen Verantwortung ich seitdem trage. Unser Team am Lehrstuhl ist auf verschiedenen Gebieten der Ästhetik in Geschichte und Gegenwart tätig, sowohl in der Forschung als auch in der Lehre. Wir sind bemüht, allgemeine Kategorien wie etwa Schönheit, Geschmacksurteil oder den Werkbegriff in engem Austausch mit den stets singulären ästhetischen Gegenständen und den jeweiligen Künsten (Malerei, Literatur, Musik, Theater, Film, Architektur, Tanz …) zu bestimmen. Das legt dann oft einen interdisziplinären Austausch mit den anderen an der Unifr vertretenen Kunstwissenschaften nahe, mit denen wir sehr regelmässig zusammenarbeiten.

Anderseits verstehe ich Ästhetik jedoch auch als eine philosophische Kerndisziplin, insofern sich die Ästhetik – man vergisst es manchmal – noch vor jeder Beschäftigung mit dem Schönen oder mit Kunstwerken zunächst einmal mit der Logik sinnlicher Erkenntnis befasst (Ästhetik leitet sich von Aisthesis, dem griechischen Wort für Wahrnehmung her). Dass uns die Sinne, anders als uns eine hartnäckige sinnenfeindliche Philosophietradition weismachen wollte, nicht immer täuschen, sondern auf ganz eigene – nämlich gerade nicht-begriffliche – Weise die Welt verlässlich erschliessen: das ist ein Nachweis, mit dem sich die Ästhetik im Kern der philosophischen Debatten über Erkenntnisformen verortet.

Wie sehen Sie die Bedeutung dieses Lehrstuhls für die akademische Gemeinschaft in der Schweiz und darüber hinaus?
Es war tatsächlich ein Kuriosum, dass es in dem Land, das zu recht auf Rousseau, Nietzsche, Giacometti oder Tinguely stolz ist, bis dato landesweit keinen einzigen Universitäts-Lehrstuhl für philosophische Ästhetik gab. Dabei spielte die Schweiz sogar eine ganz zentrale Rolle in der Etablierung der Ästhetik als neuer philosophischen Disziplin im 18. Jahrhundert, als Autoren wie J.J. Bodmer, J.G. Sulzer oder J.J. Breitinger die Rolle des Gefühls rehabilitiert haben. Ganz zu schweigen von ihren Beiträgen zu einer Ästhetik des Erhabenen (vielleicht laden spektakuläre Bergkulissen eher zu Erhabenheits-Erfahrungen ein). Es ist also nur folgerichtig, dass Ästhetik nicht nur an Kunsthochschulen gelehrt und erforscht wird – ich denke etwa an meine Kollegin, Prof. Judith Siegmund an der Zürcher Hochschule der Künste – , sondern sich auch die Universitäten auf diese lange Tradition besinnen und die Unifr eine Vorreiterrolle übernimmt. Denn die Schweiz hat sich nicht nur auf dem Gebiet der praktischen Ästhetik einen Namen gemacht – man braucht nur an Design und Typographie zu denken –, sondern hat auch auf dem Gebiet der theoretischen Ästhetik Wichtiges geleistet.

Allerdings will dieser Ästhetik-Lehrstuhl, den wir nun dankenswert in Freiburg haben, nicht nur in den Rückspiegel, sondern auch dezidiert nach vorn schauen. Wir möchten unseren eigenen Beitrag zu den gegenwärtigen gesellschaftlichen Herausforderungen leisten.

Genau, denn: Philosophie, Ästhetik … klingt alles sehr spannend. Aber was kann man damit machen? Kann man damit einen Job finden?
Ästhetische Fragen betreffen nicht nur Kunstkritikerinnen, Opernfreunde oder Gourmets, sie betreffen uns alle. Ob Unternehmenskommunikation, Urban Design, Event-Kultur oder Selbstinszenierung in sozialen Medien – wohin man schaut sind Ästhetisierungsprozesse im Gange. Die allgemeine «Aufhübschung» ist schon lange nicht mehr nur Verpackung, sondern Kern der Botschaft. Da ist dann kritische Distanz gefragt, und ein reflektierter Umgang. In der Ästhetik kann man das «Was» niemals vom «Wie», den Inhalt niemals von der Art und Weise trennen; was wir an ästhetischen Gegenständen lernen, lässt sich auf viele andere Felder übertragen. In dieser Hinsicht hat die philosophische Ästhetik ein feingliedriges Handwerkszeug anzubieten, damit wir anstelle von passiven Rezipienten zu kritischen Zeitgenoss_innen werden, die diese neuen audiovisuellen und multisensoriell organisierten Erfahrungswelten verstehen und eigenmächtig mitgestalten können.

In dieser Hinsicht betrifft die Befähigung zur ästhetischen Kritik alle Bürger_innen. Neben diesem allgemeinen Auftrag haben wir an der Unifr jedoch auch ein gezielteres Ausbildungsangebot. Wir bereiten Studierende für ein Berufsleben im Kultursektor, im Erziehungsbereich sowie an der Schnittstelle von Kunst und Öffentlichkeit aus. Analytische Kompetenzen, wie sie im Philosophie-Studium verfeinert werden, gepaart mit ästhetischer Bildung – das ist heute sehr gefragt. Eine ganze Reihe unserer Absolvent_innen arbeiten heute in im Kulturjournalismus (Radio, Print und Online-Medien), in Museen oder in der Kunstförderung.

Könnten Sie uns über das Forschungsprojekt «Aerial Spatial Revolution» erzählen, das durch den SNF-Sinergia-Grant unterstützt wird?
Gern. Wir nehmen nun im April neu die Arbeit an einem neuen kollaborativen Verbundprojekt auf, das wir in Freiburg gemeinsam mit der Tessiner SUPSI, der Architekturfakultät Mendrisio und der OST St. Gallen durchführen. Wir freuen uns sehr, mit dem Projekt «Aerial Spatial Revolution» einen der begehrten SINERGIA-Grants des SNF gewonnen zu haben. Es geht dabei um die Frage, wie die Revolution der Luft- und Raumfahrt seit Beginn des 20. Jahrhunderts unser Verständnis von Räumlichkeit radikal verändert hat. Der «Blick von oben» zieht eine «Verflachung» der Welt nach sich, aber auch eine Objektivierung und Selbstdistanzierung. Das Projekt bietet erstmals eine systematische und interdisziplinäre Studie der Geschichte und der Auswirkungen der Raumrevolution. Unser Forschungsnetzwerk bringt Expert_innen aus den Bereichen Städtebau und Architektur, Ästhetik, Theorie visueller Medien und politische Philosophie zusammen, und verschränkt praktische wie theoretische Gesichtspunkte. Das Freiburger Teilprojekt «AeroVision» soll eine Phänomenologie des luftbasierten Blicks liefern, auf der Grundlage meiner eigenen medienphänomenologischen Arbeiten und meiner Überlegungen zur Philosophie der Perspektivität, wobei wir uns auch fragen wie Technologie wie unbemannte Drohnen und Remote-Sensing-Technologien unsere natürlichen Wahrnehmungs-Koordinaten verändern.

Der Kongress der Deutschen Gesellschaft für Ästhetik, der im September in Freiburg stattfinden wird, ist ein bedeutendes Ereignis für die Ästhetik-Community. Was hat es damit auf sich?
Die Deutsche Gesellschaft für Ästhetik (DGÄ) ist der allgemeine Dachverband im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Schweiz, Österreich), aber auch darüber hinaus. Mit über 700 Mitgliedern ist sie die heute europaweit grösste wissenschaftliche Gesellschaft für Ästhetik, und zählt eine ganze Reihe von Mitgliedern aus anderen Sprachregionen. Die Mitgliederversammlung der DGÄ hat mich 2021 zu ihrem Präsidenten gewählt, und zu meinen Aufgaben gehört damit ebenfalls die Durchführung des dreijährig stattfindenden grossen Kongresses. Ich freue mich sehr, dass ein DGÄ-Kongress nun erstmals nach Freiburg kommt (in der Stadt, in der übrigens 2008 die European Society of Aesthetics gegründet wurde!). Vom 9. bis 13. September 2024 wird es zu dem allgemeinen Thema «Medien der Künste/Künste der Medien» über 100 wissenschaftliche Parallelvorträge geben, mit Vortragenden aus Europa und den USA. Begleitend dazu gibt es ein Rahmenprogramm mit Performances und Lesungen, das auch speziell dem allgemeinen Publikum offenstehen soll. Das Organisationsteam ist momentan aktiv damit beschäftigt, weitere Kooperationen mit lokalen und kantonalen Partnern zu vereinbaren. Eine Tagungsgebühr gibt es keine: Alle sind herzlich eingeladen – Universitätsmitglieder, Studierende, die interessierte Öffentlichkeit –, im September mit uns gemeinsam über Kunst, Ästhetik, Medien und Gesellschaft zu debattieren.

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