Engagement – Alma & Georges /alma-georges Le magazine web de l'Université de Fribourg Thu, 13 Apr 2023 12:17:10 +0000 fr-FR hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.3.5 Free-speech – Das Wort hat Ivo Wallimann-Helmer /alma-georges/articles/2023/free-speech-das-wort-hat-ivo-wallimann-helmer /alma-georges/articles/2023/free-speech-das-wort-hat-ivo-wallimann-helmer#respond Thu, 13 Apr 2023 09:00:05 +0000 /alma-georges?p=17997 Prof. Dr. Ivo Wallimann-Helmer ist als Philosoph und Ethiker gern gesehener Gast in öffentlichen Debatten, gerade weil er sich vornehmlich mit Herausforderungen rund um das Thema Umwelt befasst. Wie weit er geht, um seine persönlichen Ansichten in den allgemeinen Diskurs einzubringen, erklärt er im vierten Teil unserer Serie über die Redefreiheit von Wissenschaftler_innen.

Ganz generell: Ist es jede Wahrheit wert, ausgesprochen zu werden?
Das hängt vom Kontext ab. Aus strategischen Gründen ist es manchmal sinnvoller, freundlich zu bleiben statt jemandem direkt ins Gesicht vorzuwerfen, von der Materie nichts zu verstehen. Manchmal ist es aber essentiell, etwas unmissverständlich festzuhalten, wenn man seine Ziele erreichen will. Solche strategischen Gründe sind das eine, moralische Gründe sind das andere. Manchmal sollte man aus Respekt vor einer Person oder einer Sache lieber die Unwahrheit sagen, als auf den Tatsachen herumzureiten. Aus ebenfalls moralischen Gründen kann es aber auch gegenteilig sein. Man muss die Wahrheit sagen, um einer Missachtung wichtiger Werte entgegenzuwirken. Bei offensichtlicher Diskriminierung ist es essentiell, die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen. Einer gleichberechtigten Gesprächspartnerin angemessenen Respekt zu zollen, bedingt manchmal, dass man nebensächliche Ungenauigkeiten ausblendet, manchmal aber auch genau das Gegenteil.

Was ist Ihr Fachgebiet? Worüber forschen Sie?
Ich bin als Philosoph und Ethiker ausgebildet, der sich mit angewandten Fragestellungen im Bereich von Umweltherausforderungen auseinandersetzt. Dabei bin ich auf demokratie- und gerechtigkeitstheoretische Fragestellungen spezialisiert. Meiner Meinung nach ist es von entscheidender Bedeutung, dass im Kontext von Umweltherausforderungen nicht nur die Frage unserer Pflicht zum Ergreifen von Umwelt- und Klimaschutzmassnahmen behandelt werden, sondern auch die faire Verteilung der Belastungen bei der Umsetzung entsprechender Massnahmen.

Einige Wissenschaftler, aktuell oft aus der Klimaforschung, veröffentlichen nicht nur ihre Ergebnisse, sondern versuchen auch, die Öffentlichkeit zu warnen und die Behörden zum Handeln zu bewegen. Sind Sie der Meinung, dass dies die Rolle der wissenschaftlichen Gemeinschaft ist oder dass sie sich auf ihre Forschung beschränken und keine Stellung beziehen/sich nicht einmischen sollte?
Als Ethiker forsche ich zu normativen Fragen, deshalb haben meine Äusserungen in der Öffentlichkeit fast zwangsläufig eine Stellungnahme meinerseits zur Folge. Wenn es um klimaethische Fragen geht, habe ich zu sehr vielen Herausforderungen eine Position und Meinung. Deren Begründung darzustellen, aber gleichzeitig auch kritisch zu diskutieren, scheint mir wichtig. Damit lässt sich grösseres Bewusstsein für die Herausforderungen schaffen, vor denen wir stehen. Diese sind nicht nur naturwissenschaftlicher oder sozialwissenschaftlicher Natur, sondern betreffen auch unsere grundlegenden Wertvorstellungen und unsere Haltung gegenüber der Zukunft.

Da die Zeit zum Ergreifen effektiver Massnahmen drängt, verstehe ich sehr wohl, dass viele Forschende, insbesondere Klimaforschende, das Bedürfnis haben, Stellung zu beziehen und die Behörden zum Handeln bewegen wollen. Auch mir ist es ein Bedürfnis, die Politik in ihren Entscheidungen zu unterstützen und in die aus meiner Sicht bestmögliche Klimapolitik zu bewegen. Doch Wissenschaft und Politik sind nicht das gleiche und gehören klar getrennt. Deshalb sollten Forschende meines Erachtens immer klar machen, wann sie als Forschende ihre Forschungsergebnisse kritisch diskutieren und wann sie als besorgte, sehr gut informierte Bürger_innen politisch Stellung beziehen. Das ist nicht immer einfach und eine Gratwanderung. Für die Glaubwürdigkeit der Forschung aber unabdingbar.

Wie schätzen Sie den Einfluss Ihrer Forschung auf die wissenschaftliche Debatte und die öffentliche Politik ein?
Mit philosophischer Forschung einen klar messbaren Einfluss auf die Öffentlichkeit zu haben ist nicht ganz leicht. Denn viele der Argumente und Konzepte unserer Forschung finden sich auch in der öffentlichen politischen Debatte. Die Herausforderung ist deshalb immer, den Gewinn philosophischer Klärung und Argumentation zu vermitteln, ohne gleichzeitig allen ihre eigenen Ansichten zu erklären. Gleichzeitig hoffe ich natürlich, mit meinen öffentlichen Auftritten immer auch eine gewisse Klärung und Hilfestellung in die politische Debatte zu tragen. Wie gross der Einfluss meiner Auftritte in den Medien genau ist, weiss ich nicht. Ich erhalte aber immer wieder Rückmeldungen, dass man mich gehört oder gesehen hätte und es spannend war. Am einflussreichsten war hier sicherlich mein Auftritt in «» letzten Herbst.

Meine Forschung ist in vielem interdisziplinär angelegt. Damit hoffe ich, disziplinenübergreifend Einfluss auf die Klimaforschung und -politik allgemein ausüben zu können. In den neuesten IPCC-Berichten (Intergovernmental Panel on Climate Change) spielen Gerechtigkeitskonzepte eine grosse Rolle. Ich hoffe, mit meinen Veröffentlichungen zu Klimaschäden und -verlusten zumindest für diesen Bereich etwas konzeptionelle Klärung beigesteuert zu haben. Zumindest in der breiteren Forschung zu diesen Fragen werden meine Forschungsbeiträge wahrgenommen, weniger aber von anderen Kolleg_innen meiner eigenen Zunft. Das liegt wohl am interdisziplinären Charakter von vielem, was ich publiziere. Auch an politischen Foren mit wichtigen Mitgliedern des Schweizer Parlaments und der Regierung war ich schon beteiligt. In solchen Kontexten ist die grosse Herausforderung aber immer, gegenüber empirischer Forschung Gehör zu erhalten und als relevant zu gelten.

Sind Sie der Typ, der seine Üzeugungen vom «Philosophischen Lehnstuhl» auf die Strasse tragen würde, um einem Thema das nötige Gewicht zu verleihen?
Meine Forschungsergebnisse und Positionen trage ich regelmässig in die Medien und die Öffentlichkeit. Wenn es meine Zeit zulässt, bin ich mir nie zu schade, mich an politischen Foren oder anderen inter- und transdisziplinären Zusammenhängen zu beteiligen. Ebenso engagiere ich mich aus Üzeugung in der Universitätspolitik für mehr Nachhaltigkeit. In diesem Sinne trage ich als Professor der Universität Freiburg meine Üzeugungen in die Öffentlichkeit und beteilige mich an der politischen Debatte. Als Bürger werde ich unter Umständen auch noch anders aktiv, doch das tue ich als Bürger und nicht als Professor der UniFR. Deshalb gehört das nicht hierher.

Wichtig scheint mir bei all meinem Engagement als Forscher immer, klar zu machen, vor welchem Hintergrund ich mir erlaube, Positionen zu ergreifen. Ich bin als Forschender spezialisiert auf normative Fragen und habe keine Daten. Deshalb kann ich mich bei Aussagen über das Phänomen des Klimawandels nur auf die Forschung anderer stützen. Dies explizit zu machen, scheint mir wichtig. Zudem glaube ich auch, dass es wichtig ist, Gegenpositionen darzustellen bzw. anzuerkennen, wenn man als Ethiker eine Position vertritt. Sonst betreibt man Politik und ist nicht mehr als Forschender unterwegs. Dies ist nicht immer einfach, zumal man manchmal auch einfach Pflöcke einschlagen muss. Den menschengemachten Klimawandel zu leugnen, scheint mir aufgrund meiner Kenntnis der aktuellen Forschungsliteratur inakzeptabel. Genauso bin ich der Meinung, dass wir unsere liberalen und demokratischen Errungenschaften nicht leichtfertig über Bord werfen sollten.

Glauben Sie, dass Sie als Wissenschaftler die Legitimität oder sogar die Pflicht haben, sich an der öffentlichen Debatte zu beteiligen?
Wir Forschende werden durch die öffentliche Hand finanziert und haben die Ehre, uns intellektuell mit denjenigen Dingen zu beschäftigen, in denen unsere Leidenschaft liegt. Nur schon deshalb sind Wissenschaftler_innen verpflichtet, sich an öffentlichen Debatten zu beteiligen. Darüber hinaus haben wir ein spezielles Wissen, das wir zum Besten der Gesellschaft erarbeiten. Dieses sollten wir nicht nur an unsere Studierenden weitervermitteln, sondern auch in die Öffentlichkeit tragen.

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Free-speech – Das Wort hat Sanja Hakala /alma-georges/articles/2023/free-speech-das-wort-hat-sanja-hakala /alma-georges/articles/2023/free-speech-das-wort-hat-sanja-hakala#respond Thu, 06 Apr 2023 09:00:50 +0000 /alma-georges?p=17976 Biologin und Wissenschaftskommunikatorin Sanja Hakala ist überzeugt, dass die akademische Welt es der Gesellschaft schuldet, sich aktiv öffentlich zu den grossen Problemen unserer Zeit zu äussern – bis hin zur Teilnahme an Protestaktionen. Teil drei unserer Serie über die Redefreiheit von Wissenschaftler_innen.

Ganz generell: Ist es jede Wahrheit wert, ausgesprochen zu werden?
Sowohl die Wahrheit an sich als auch die Absicht, sie auszusprechen, sind wichtig. Die Aufgabe der Forschung besteht selbstverständlich darin, die Wahrheit zu suchen und sie auch zu vermitteln. Wir müssen auch analysieren, wie die Wahrheit, das Wissen, in der Gesellschaft verwendet wird. Der Kampf gegen Fehlinformationen wird immer wichtiger, und dagegen können wir nur mit der Wahrheit ankommen.

Was ist Ihr Fachgebiet? Worüber forschen Sie?
Ich bin Wissenschaftlerin und Wissenschaftskommunikatorin. Ich arbeite als Post-Doc im Bereich Ökologie und Evolutionsbiologie und habe ausserdem letztes Jahr ein populärwissenschaftliches Buch über die biologische Vielfalt von Insekten veröffentlicht. Mein grösstes Interesse gilt der Evolution des Sozialverhaltens. Derzeit untersuche ich Ameisenkolonien und ihre Mund-zu-Mund-Fütterungsnetze, um herauszufinden, wie sich die Individuen auf molekularer Ebene gegenseitig beeinflussen können und wie dies der Ameisengesellschaft hilft, kooperativ zu bleiben.

Im Rahmen meiner akademischen Arbeit setze ich mich zunehmend für stärkere Massnahmen gegen den Zusammenbruch des Klimas und der Umwelt ein. Ich gehöre zu einem wachsenden internationalen Netzwerk von Forschenden, welche die Rolle der Wissenschaft und Kommunikationsstrategien in dieser Krise diskutieren.

Einige Wissenschaftler_innen, aktuell oft aus der Klimaforschung, veröffentlichen nicht nur ihre Ergebnisse, sondern versuchen auch, die Öffentlichkeit zu warnen und die Behörden zum Handeln zu bewegen. Sind Sie der Meinung, dass dies die Rolle der wissenschaftlichen Gemeinschaft ist oder dass sie sich auf ihre Forschung beschränken und keine Stellung beziehen, resp. sich nicht einmischen sollte?
Ich habe Wissenschaftskommunikation studiert und weiss daher sehr gut, dass die Veröffentlichung in einer akademischen Zeitschrift für eine erfolgreiche Wissensverbreitung nie ausgereicht hat. Das ist nichts Neues.
Die wissenschaftliche Gemeinschaft hatte schon immer eine dreifache Aufgabe: Forschung zu betreiben, auf der Grundlage dieser Forschung die beste Ausbildung zu bieten und die Ergebnisse zum Nutzen der gesamten Gesellschaft zu vermitteln. Akademiker_innen standen schon immer an vorderster Front des gesellschaftlichen Wandels: Die Statistikerin Florence Nightingale und die Ärztin Elizabeth Garrett Anderson waren prominente Fürsprecherinnen der Suffragetten, die sich Ende des 19. Jahrhunderts für das Frauenwahlrecht in Grossbritannien einsetzten. Führende Intellektuelle und Nobelpreisträger verfassten in den 1950er Jahren das berühmte Russell-Einstein-Manifest gegen Atomwaffen. Die Fürsprache und später auch die Akte des zivilen Ungehorsams des Klimawissenschaftlers James Hansen haben andere Akademiker dazu inspiriert, sich seit den 1980er Jahren für den Klimaschutz zu engagieren.

Die Tatsache, dass immer mehr Forschende in dieser Hinsicht aktiv werden, zeugt nicht von einem Wandel der akademischen Kultur, sondern von einer zunehmenden Gefahr für unsere Gesellschaft. Die Auswirkungen der Klimakrise sind in allen Bereichen des Lebens und der Forschung spürbar. Meiner Meinung nach ist die Vorstellung, die akademische Welt könne sich von der Gesellschaft abkoppeln, intellektuell unredlich, und sich auf Neutralität zu berufen heisst, den Status quo zu unterstützen. Als Ökologin gehört es zu meinen zentralen Aufgaben, mich darum zu sorgen, ob das Ökosystem und die natürlichen Populationen, die ich untersuche, am Leben bleiben oder nicht. Von der medizinischen Forschung wird erwartet, dass sie gegen Krankheiten und Leiden Stellung bezieht, Dieses Denken sollte auch für alle anderen Bereiche gelten. Die Rolle der Wissenschaft bestand nie darin, nur die Zerstörung zu dokumentieren.

Wie schätzen Sie den Einfluss ihrer Forschung auf die wissenschaftliche Debatte und die öffentliche Politik ein?
Die Ökologie steht natürlich im Mittelpunkt vieler der grossen Probleme unserer Zeit. Es gibt demnach viele Debatten, sowohl theoretisch als auch auf Anwendungsebene. Beispielsweise zeigen meine jüngsten Ergebnisse über die Ausbreitungsfähigkeit roter Waldameisen, einer Schlüsselspezies in borealen Wäldern, Zusammenhänge mit dem Erhalt von Lebensräumen und dem Rückgang der biologischen Vielfalt und wurden zur Diskussion über die Landnutzungspolitik herangezogen. Die Debatte über die Waldnutzung in Finnland ist derzeit ziemlich hitzig.

Sind Sie der Typ, der seine Üzeugungen vom «Labor» auf die Strasse tragen würde, um einem Thema das notwendige Gewicht zu verleihen?
Ja, das habe ich und werde ich wieder tun. Ich glaube, dass ziviler Ungehorsam, neben anderen Methoden des gewaltfreien zivilen Widerstands, notwendig ist, um unsere Gesellschaft schnell genug auf eine nachhaltige Zukunft auszurichten. Akademiker_innen haben jahrzehntelang über die Klima- und Umweltkrise kommuniziert, aber die Strategien, die wir angewandt haben, sind eindeutig gescheitert, da sich die Krisen nur noch verschärfen.

Ich ermutige alle Menschen, sich über soziale Bewegungen zu informieren und darüber, wie in der Vergangenheit grosse gesellschaftliche Veränderungen herbeigeführt wurden. Ich selbst habe ursprünglich nur Naturwissenschaften und keine Sozialwissenschaften studiert, daher waren mir diese Themen nicht besonders vertraut, aber sie sind äusserst wichtig. Ich bin mir bewusst, dass nicht alle mit meiner Haltung zum zivilen Ungehorsam einverstanden sind, und das ist natürlich in Ordnung. Aber als Akademiker_innen sollten wir uns eine fundierte Meinung bilden, anstatt uns auf blosse Intuition zu verlassen.

Glauben Sie, dass Sie als Wissenschaftlerin die Legitimität oder sogar die Pflicht haben, sich an der öffentlichen Debatte zu beteiligen?
Unbedingt. Wir Akademiker_innen werden mit öffentlichen Mitteln zum Nutzen der Gesellschaft ausgebildet, also haben wir natürlich auch eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Eine davon ist es, immer wieder zu analysieren, wann und wie wissenschaftliche Erkenntnisse vermittelt werden sollen. Der aktuelle wissenschaftliche Konsens ist, dass wir auf eine zunehmend katastrophale Zukunft zusteuern – aber auch, dass es noch nicht zu spät ist und dass es Lösungen gibt, wenn wir sehr schnell handeln. Die Bevölkerung kann immer noch Druck auf die Politik ausüben, um unseren Kurs zu ändern. Ich sehe es als unsere Pflicht an, dies immer wieder laut auszusprechen.

Auch wenn einige Forscher_innen mit den Strategien von Aktivismusbewegungen wie Extinction Rebellion oder Renovate Switzerland überhaupt nicht einverstanden sind, sollten sie dennoch ihre Stimme einsetzen, um die forschungsbasierte Botschaft dieser Bewegungen zu legitimieren. Viele von uns Forschenden schreiben Erklärungen zur gesellschaftlichen Relevanz in unsere Fördergesuche, um zu begründen, warum wir mehr öffentliche Mittel für unsere Arbeit erhalten sollten. Aber seien wir ehrlich: Es reicht nicht aus, nur vorzugeben, Wirkung zu erzeugen.

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  • Seite von Sanja Hakalas Forschungsgruppe LeBoeuf Group
  • Paper zum Thema:
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Free-speech – La parole à Arnaud Chiolero /alma-georges/articles/2023/free-speech-la-parole-a-arnaud-chiolero /alma-georges/articles/2023/free-speech-la-parole-a-arnaud-chiolero#respond Thu, 30 Mar 2023 08:28:34 +0000 /alma-georges?p=17898 Entre science et engagement, du labo à la rue, du terrain de recherche au monde, qui peut dire quoi? Arnaud Chiolero, professeur de Santé publique au Département de médecine, partage son point de vue sur la liberté de parole des scientifiques.

De manière générale, toute vérité est-elle bonne à dire?
En tant que scientifique, je dirais que notre souci est la connaissance, et non pas la vérité. Les connaissances sont certainement «à dire», mais elles ne se disent pas toutes seules; il faut un cadre qui permet l’échange des savoirs et qui respecte les doutes et les questionnements. C’est ce qu’offre idéalement l’université.

Quel est votre métier? Sur quoi portent vos recherches?
Je suis épidémiologiste et professeur de santé publique; j’étudie la santé des populations et ses multiples déterminants.

Certain·e·s scientifiques, notamment celles et ceux qui étudient le climat, ne se contentent pas de publier leurs résultats, mais tentent aussi d’alerter l’opinion publique ou d’inciter les autorités à l’action. Jugez-vous que c’est le rôle de la communauté scientifique ou que celle-ci doit se cantonner à ses recherches sans prendre position?
Il est difficile pour certain·e·s expert·e·s d’étudier des sujets de santé publique tout en gardant une neutralité axiologique; la tentation est énorme de s’impliquer pour améliorer la situation, et on comprend bien cette envie. Les scientifiques peuvent s’impliquer politiquement, mais il faut séparer les activités de production et de diffusion du savoir (activité scientifique à proprement parler) de celles de l’activisme politique (activité citoyenne). Le problème est que le militantisme académique crée une confusion entre le débat politique (où la conviction et l’opinion dominent le savoir) et le débat scientifique (où le savoir et le questionnement sont centraux). Les scientifiques, même s’ils ont de bons arguments, doivent accepter qu’ils sont des citoyen·ne·s comme les autres et n’ont pas de légitimité politique à diriger. Dans un système démocratique, c’est le politique – fait de citoyen·ne·s et d’élu·e·s œuvrant dans le respect d’institutions – qui dirige. La science peut trouver des solutions aux problèmes de santé publique, mais c’est le politique qui décide comment transformer ces solutions en réalité.

Certaines de vos recherches peuvent-elles susciter un débat scientifique, voire alimenter des discussions politiques? Si oui lesquelles? Est-ce déjà arrivé?
Lorsqu’on étudie la santé des populations, il y a automatiquement des discussions politiques, car les mesures pour améliorer la santé nécessitent de faire des choix personnels, socio-économiques, voire éthiques. On l’a vécu, par exemple, sur la question d’obliger ou non la vaccination contre le virus de la covid-19. Alors que les scientifiques sont les mieux placé·e·s pour démontrer les bénéfices ou les dangers de la vaccination, elles et ils ne peuvent pas répondre à la question de savoir s’il faut rendre celle-ci obligatoire, car cela relève de choix sociaux, éthiques et politiques.

Iriez-vous jusqu’à la désobéissance civile: faut-il sortir du labo pour descendre dans la rue?
On peut le faire, comme tout citoyen·ne, mais pas au nom de l’institution qui nous emploie. Je suis payé pour donner des enseignements et pour conduire mes travaux de recherche, non pas pour mes convictions ou mes choix politiques.

Pensez-vous que vous avez une légitimité, voire le devoir, en tant que scientifique, de participer au débat public?
Participer au débat public, bien entendu, et j’ai une responsabilité d’informer au mieux sur la base de mes connaissances. Mais quand il s’agit de choisir, de décider, je suis un citoyen comme un autre.

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  • Page d’Arnaud Chiolero
  • Le magazine scientifiqueuniversitasconsacrera également, dans son numéro d’avril 2023, une triple interview à la question.
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Free-speech – La parole à Robin Jolissaint /alma-georges/articles/2023/free-speech-la-parole-a-robin-jolissaint /alma-georges/articles/2023/free-speech-la-parole-a-robin-jolissaint#respond Thu, 02 Mar 2023 15:57:12 +0000 /alma-georges?p=17714 Robin Jolissaint, doctorant en sciences sociales et président de l’Association de développement durable de l’Unifr Myosotis, ouvre cette nouvelle série sur la question de la liberté de parole des scientifiques. Entre science et engagement, du labo à la rue, du terrain de recherche au monde, qui peut dire quoi?

Robin Jolissaint, de manière générale, toute vérité est-elle bonne à dire?
Si cacher la vérité permet de protéger l’autre, pourquoi pas. Le pire est de cacher la vérité pour protéger uniquement ses propres intérêts, contre les autres. Il faut faire preuve d’intelligence et d’honnêteté.

Quel est votre métier? Sur quoi portent vos recherches?
Je suis doctorant en sciences sociales. Parallèlement, je suis assistant de mon directeur de thèse, ce qui implique notamment la responsabilité d’une charge de cours et un nombre important de tâches pour mon équipe qui concernent la pédagogie, l’administration, la communication et la participation aux instances politiques de l’Université. Je suis également militant, sans être rémunéré pour cela. Je participe à plusieurs associations de défense de l’environnement, j’organise des conférences sur le sujet, je suis actif dans un parti politique et dans un syndicat.

Ma recherche de thèse porte sur la transition écologique des entreprises. J’effectue une enquête ethnographique auprès d’une PME pour comprendre comment elle met en place sa transition et je m’intéresse particulièrement à comprendre comment cela modifie le sens et la pratique du travail pour ses employé·e·s. L’enjeu est également de définir une transition réussie: quand peut-on dire qu’une transition écologique est terminée et satisfaisante?

Certain·e·s scientifiques, notamment celles et ceux qui étudient le climat, ne se contentent pas de publier leurs résultats, mais tentent aussi d’alerter l’opinion publique ou d’inciter les autorités à l’action. Jugez-vous que c’est le rôle de la communauté scientifique ou que celle-ci doit se cantonner à ses recherches sans prendre position?
La question peut donner l’impression que réfléchir aux implications concrètes de ses résultats scientifiques serait une prise de position malvenue. Or c’est précisément le travail du sociologue que de comprendre les implications sociopolitiques et socioéconomiques de ses recherches. De plus, on ne poserait certainement pas cette question à un·e chercheur·euse en management qui conseillerait une entreprise, ni à un·e chimiste qui monterait une start-up; pourtant iels aussi poursuivraient leur travail de recherche dans ce qu’on nomme malencontreusement le «vrai» monde.

Je pense que c’est le choix de tout·e chercheur·euse de décider à qui iel souhaite communiquer les résultats de sa recherche: uniquement à un public de spécialistes dans les revues scientifiques ou plus largement. Du moment que je suis convaincu que les résultats de ma recherche révèlent un besoin urgent d’agir pour préserver la cohésion de notre société et des conditions de vie humaine possibles sur Terre, ce qui est le cas lorsqu’on traite du dérèglement climatique, alors je pense que tous les moyens d’alerter sont non seulement bons, mais nécessaires.

Certaines de vos recherches peuvent-elles susciter un débat scientifique, voire alimenter des discussions politiques? Si oui lesquelles? Est-ce déjà arrivé?
En sciences sociales, il est assez fréquent que nous soyons invité·e·s à nous exprimer publiquement, puisque nos thématiques de recherche parlent de la réalité sociale dans laquelle nous vivons au quotidien. Dans mon cas, en tant que sociologue du travail, j’ai pu répondre à des questions sur le sens et la définition du travail au travers du concept de bullshit jobs qui a eu un grand écho dans la population. Offrir une nouvelle définition du travail bouleverserait complètement notre système social puisqu’à sa base se trouve l’emploi salarié.

En tant que doctorant, participer au débat politique n’est pas simple. Je dois être proactif et développer un réseau si je souhaite apporter ma contribution scientifique à la définition des idées politiques. C’est le point de rencontre passionnant de mes intérêts à la fois pour la recherche et pour le militantisme.

Iriez-vous jusqu’à la désobéissance civile: faut-il sortir du labo pour descendre dans la rue?
Oui. Mais dans la rue, je suis citoyen, pas chercheur. Ma formation doctorale de sociologue me permet d’observer et analyser la société avec des outils qui ne sont pas à la portée de tout le monde, mais lorsque je m’assieds sur une autoroute pour demander au gouvernement de faire son travail, cela ne demande pas une acuité sociologique particulière. Cela fait depuis les années 1950-1960 que les effets du dérèglement climatique sont connus et aucune décision gouvernementale n’a été prise à la hauteur des dangers.

Pensez-vous que vous avez une légitimité, voire le devoir, en tant que scientifique, de participer au débat public?
En tant que citoyen, j’ai un devoir moral de participer à la vie publique, mais de plus si j’ai étudié les sciences sociales, c’est parce que j’ai toujours voulu comprendre la société pour pouvoir la transformer vers plus de justice et d’égalité.

Je pense que l’apport d’un·e scientifique varie beaucoup d’une science à l’autre; en sciences sociales, on s’exprime sur des sujets sur lesquels tout le monde a une opinion, puisqu’on parle des expériences vécues par tout un chacun. Toutefois, j’ai reçu une formation spécifique à la réflexivité, aux techniques d’observation, avec une connaissance approfondie de plusieurs réalités sociales, ce qui participe à former mon expertise sur certains sujets.

Enfin, je ne dirai pas ici qu’on doit conserver une neutralité, puisque la vie sociale est intrinsèquement politique, qu’elle est formée sur des valeurs. Mon devoir de participation s’accompagne par contre d’un devoir déontologique qui me demande d’être transparent sur les intérêts que je cherche à défendre. En l’occurrence, une transformation de la société qui entre dans les limites planétaires et concrétise l’idéal démocratique en termes de justice, de respect et d’égalité.

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  • Page de Robin Jolissaint
  • L’Association de développement durable, , qui organise la Semaine de la durabilité du 6 au 10 mars 2023
  • Le magazine scientifiqueuniversitas consacrera également, dans son numéro d’avril 2023, une triple interview à la question.
  • Photo-portrait: © Samuel Bongard
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